Heute Mittag neues Buch einer mir unbekannten Autorin angefangen. Deutsche Übersetzung aus dem Englischen. Schon beim ersten Satz stilistische Desillusionierung. Es wird ein Vergleich bemüht. „An dem Nachmittag, an dem (…), war der Himmel blau wie ein Drosselei.“ W.t.f.? Der Himmel blau wie ein Drosselei? Zählt das Aussehen von Drosseleiern zur Allgemeinbildung? Soll das originell sein? Muss ich die Google-Bildersuche bemühen, um mir eine Himmelsfärbung vorzustellen? Da bin ich raus. Natürlich noch gegoogelt, wie das Gelege von Drosseln aussieht. Es gibt verschiedene Drosseleier. Zwei in Blautönen, variierend zwischen hellem Türkis und Hellblau, beide mit hellbraunen Einsprengseln. Ich nehme an, die Autorin hat sich zu dem Vergleich selbst beglückwünscht. Bei prätentiösen Formulierungen, die noch nicht einmal rhythmisch oder melodisch interessant sind, bekomme ich schnell schlechte Leselaune.

4 Antworten auf „28. Dezember 2022

  1. Isabel Bogdan
    Vielleicht spielen Vögel oder ihre Eier eine besondere Rolle in dem Roman?

    Elvira Veselinović
    Ich verlas mich gerade mangels Glottalverschluss, also nicht Drossel-Ei sondern Drosselei, und dachte das sei eine Firma wo Anlagen zum Drosseln von … ja, genau, was eigentlich? hergestellt werden.

    Gaga Nielsen
    Die Hauptprotagonisten sind menschlich und gehören im weiteren Sinn den Berufsständen Schriftsteller und Maler an. Auch der in der Ankündigung beschriebene Inhalt lässt nichts Ornithologisches erwarten. Ich scheue immer etwas Ross und Reiter zu nennen, wenn mir ein Werk nicht zusagt, es mag anderen Leserinnen und Lesern etwas geben. Ich hätte über den drosseleiblauen Himmel vielleicht hinwegsehen können, wenn sich das Schriftwerk im weiteren Verlauf dem angekündigten Thema und Szenario gewidmet hätte. Das fing aber ungefähr erst ab Seite 178 an. Natürlich dann auch kompliziert, sich da rein zu finden. Ich bin ungeduldig mit meiner Lesezeit, da Lebenszeit!

    Gaga Nielsen
    „Drosselei“ als Geschäftsmodell ist freilich apart! Lässt sich auch für mehrere Branchen und Zwecke denken!

    Elvira Veselinović
    Bildschirmzeit-Drosselei

    Elvira Veselinović
    Metaphern-Drosselei

    Gaga Nielsen
    <3
    Ich unterstütze Letzeres!

    Sebastian Rogler
    Im 14. Jh. gab es entlang der wichtigen Handelsstraßen sog. Drosseleien, die sich auf die bessere Bremshandhabung mehrspänniger Pferdefuhrwerke spezialisiert hatten. Mit der Erfindung der Spiralfeder um 1620 wurden diese Werkstätten dann überflüssig.

    Gaga Nielsen
    Das hatten wir doch in der vierten Klasse…! 😁

    Elvira Veselinović
    Um sie in der damaligen sepiafarbenen Umgebung eindeutig aus der Ferne erkennbar zu machen, wurden diese meist himmelblau angemalt.

    Gaga Nielsen
    <3

    kid37 – 28. Dez, 22:36
    Himmelsfarbe ist ein tiefgründiges Thema. Um Virgina Woolfes Orlando zu zitieren: „‚The sky is blue,‘ he said, ‚the grass is green.‘ Looking up, he saw that, on the contrary, the sky is like the veils which a thousand Madonnas have let fall from their hair; and the grass fleets and darkens like a flight of girls fleeing the embraces of hairy satyrs from enchanted woods.“

    Das kann man nicht in ein Ei pressen.

    g a g a – 28. Dez, 22:45
    Zuviel der Ehre für den Drosseleierschriftsatz, also das demonstrierte Gefälle zu
    P o e s i e

    kid37 – 28. Dez, 22:41
    Gerard Manley Hopkins schrieb:
    „Nothing is so beautiful as spring—
    When weeds, in wheels, shoot long and lovely and lush;
    Thrush’s eggs look little low heavens…“

    In der englischen Literatur hat die Drossel mit ihrem Ei offenbar ein himmlisches Gelege.

    g a g a – 28. Dez, 22:49
    Das ist eine zulässige Einlassung, dass Drosseleier anderswo präsenter sind. Nun ist aber der Kontext des Satzfragments derart profan, dass ich ihn gar nicht ganz abtippen wollte!

    kid37 – 28. Dez, 23:02
    Immerhin, es war mir Anlass, da mal ordentlich die Drossel anzusetzen – sozusagen eine literaturgeschichtliche Garotte. Man müsste den Originaltext sehen. Nicht, dass es dort ein Schildkrötenei ist.

    g a g a – 28. Dez, 23:06
    Wohl wahr! Das kleine Einmaleins: Schildkröteneier-Blau!

    P.S. im englischen Original heißt es:
    „The sky was as blue as a robin’s egg (…)“

    Ich wollte den Abend jetzt eigentlich nicht mit ornithologischen Eier-Studien zubringen, aber meine bisherige Kenntnis war, dass „Robin“ das englische Wort für „Rotkehlchen“ ist. Und Rotkehlchen haben mitnichten irgendwie blaue Eier, sondern bescheiden sich mit der klassischen Eierschalenfarbe mit bräunlichen Sprengseln.

    War die Autorin zu faul Eierfarben und die zugehörigen Vögel zu googeln? Die Übersetzerin schien das mit ihrem Drosselei-Blau biologisch geraderücken zu wollen. Entweder muss die Autorin irgendwann einmal blaue Vogeleier gesehen haben, die ihr beim Schreiben in den Sinn kamen, und fand es entweder hübsch, diese einem Rotkehlchen zuzuweisen, oder sie hat es verwechselt und hatte keinen Ehrgeiz, ihr gefühltes Eier-Wissen zu überprüfen. Und das gleich beim allerersten Satz! Da möchte ich gar nicht wissen, welche Fakten sonst noch bunt durcheinandergewürfelt wurden. Der Roman basiert auf realen, historischen Figuren.

    Isabel Bogdan
    Robin kann auch eine Wanderdrossel sein: https://dict.leo.org/englisch-deutsch/robin

    Isabel Bogdan
    Und „robin’s egg blue“ scheint eine halbwegs gängige Farbbezeichnung zu sein.

    Isabel Bogdan
    (Nur auf Deutsch halt nicht.)

    Gaga Nielsen
    Danke für die professionelle Erhellung. Das ist ja schon ein sehr spezifisches Drossel-Wissen! Ich stelle mir gerade vor, die Übersetzerin hätte geschrieben „war der Himmel blau wie ein Wanderdrosselei“. Ich glaube, das hätte schon wieder Charme, ginge in Richtung absichtsvoller Kuriosität! Was für eine Herausforderung gleich zu Beginn für die Übersetzerin…! Ich stelle mir vor, dass sie damit nicht so hundertprozentig glücklich war.

    Isabel Bogdan
    Vermutlich nicht. Vielleicht hat sie sich für diese auf Deutsch etwas abseitige Farbbezeichnung entschieden, weil es ein Künstlerroman ist? (Call me Sherlock, ich weiß, welcher Roman es ist.)

    Gaga Nielsen
    Das hätte mich auch sehr gewundert, wenn Du das nicht schwuppsdiwupps über googlebooks gefunden hättest 🙂 (falls Du das Buch nicht so schon (er)kanntest).

    Isabel Bogdan
    Nö, kenne ich nicht! Auch die Kollegin nur dem Namen nach.

    kid37 – 28. Dez, 23:40
    Ah, das bringt uns der Sache näher. Eine kurze Bildersuche im Netz bestätigt, Rotkehlcheneier sind tatsächlich türkis-blau! (Hätte auch an die offenbar ebenfalls existierende Variante von braungesprenkelt gedacht.) Tja. Ehrlich gesagt, sind das so Gründe, warum ich ungern übersetzte Bücher lese. Jedenfalls aus dem Englischen, wo ich mich für ganz kompetent halte. Das ist ja wirklich sehr ungeschickt gelöst – und offenbar auch nicht gut lektoriert worden. Vom König Blaubart zum Drosselbart, alles klar.

    g a g a – 28. Dez, 23:48
    Also ich finde bei der Bildersuche zu Rotkehlcheneiern (also ich meine das ECHTE Rotkehlchen :-) keine blauen. Aber Isa hat oben erläutert, dass Robin AUCH Wanderdrossel sein kann. It’s complicated!
    Hier Anleitung Rotkehlcheneier erkennen:
    https://www.plantopedia.de/rotkehlchen-eier-erkennen

    kid37 – 28. Dez, 23:56
    Versuchen’s mal hier:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Robin_egg_blue
    Man hätte es modern auch als #00CCCC schreiben können.

    g a g a – 29. Dez, 00:06
    Hey, in dem Wiki-Eintrag steht aber
    AMERICAN Robin….!
    Das ist doch eine extra Züchtung von….Tiffany!
    Und das wäre nämlich auch die adäquate Farbbezeichnung gewesen: „An dem Nachmittag (…) war der Himmel tiffanyblau.“
    Aber da hat schon die Autorin sträflich versagt! Wo tiffanyblau eine eineindeutige Farbangabe ist, ohne jedes Verwechslungspotenzial.

    kid37 – 29. Dez, 00:24
    Markenrechte! Ist es denn ein US-amerikanisches oder ein britisches (oder Commonwealth-) Buch?

    g a g a – 29. Dez, 00:30
    Was weiß ich, kein Plan! Erstausgabe wohl im US-amerikanischen Verlagshaus Little, Brown. Die Autorin lebt in Großbrittannien. Hat aber eine amerikanische Vergangenheit. Das führt nun auch zu weit! Good night, sleep tight!

    kid37 – 29. Dez, 00:32
    Gut, man darf dann wohl annehmen, dass sie das Nordamerikanische Rotkehlchen kennt. Ihren Übersetzer:innen und Leser:innen hat sie jedenfalls ein ganz schönes Ei ins Nest gelegt!

    g a g a – 29. Dez, 00:42
    🪺

    Maria Schuster
    😁

  2. Jovica Hendrix
    na es kann schon passieren, dass man etwas anderst liest, als der Autor gemeint hat.-.. Die eigene Stimmung wärend des Lesens ist nicht zu unterschätzen—-bin gespannt wie ich es bei meinem Buch mache… Ich denke so real wie möglichDer Rest liegt im auge des Lesenden

    Duke Meyer
    Haha, volles Verständnis für deinen Unmut! Der Himmel hier, wo ich gerade weile (rund eine halbe Autofahrtstunde vor Hamburg, wo ich jedoch nicht hinwill – ich bin auch gar nicht unterwegs, sondern bleibe gern, wo ich bin, heute jedenfalls), sieht farblich nicht besser aus, als das Gelege eines Stegosaurus ausgesehen haben mag, wenn einige der Eier doch nicht aufgehen, die Stegobabys also aus hier zu weit führenden und letzlich für mich wissenschaftlichen Laien doch unerforschlichen Gründen nicht schlüpfen wollten, zumindest wie ich mir den entsprechend angegammelten Ton der Tönung vorstelle. Die gute Nachricht: Ich werde diese himmelschreiende Überspreizung eines Himmelsfarbstimmungsbeschreibungsversuchs nicht in einem Buch oder sonst wie künstlerisch intendierten Text verwenden und aufmerksame Leserinnen damit nerven. 😺

    Gaga NIelsen
    <3

  3. Saskia Rutner
    Oh die sehen ja echt ganz hübsch aus, diese Drosseleier ☺️ Vor allem dieses Blau gefällt mir.

    Gaga Nielsen
    Wer hätte gedacht, dass Drosseleier zum Jahresende noch ganz groß raus kommen! 😁

    P.S. Amseleier sehen ja auch so aus….!!! Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar…🐦🦜🐥🦆

  4. Saskia Rutner
    Gaga Nielsen du weckst ja Frühlingsgefühle in mir! 😄🦅🍀🌞

    Gaga Nielsen
    Es ist nie zu früh und selten zu spät für Frühlingsgefühle 🙂

    Saskia Rutner
    Das wäre ein schöner Romananfang! 😄 Es braucht nicht immer die drosseleiernen Himmelsgewölbe…

    Gaga Nielsen
    haha, man müsste mal eine Volltextsuche machen, in wievielen Lore- und Hedwig Courths-Mahler-Romanen der schon verwurstet wurde. Aber an sich bin ich auch eine Freundin von leicht zugänglichen Wortaneinanderreihungen. Ich habe immer noch das Verständnis, dass Sprache ein Kommunikations-Versuch ist!

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