
Ein paar Eindrücke von gestern vom RIO-REISER-PLATZ. Ich konnte nur vier Fotos machen, dann war der Akku alle, hatte ich nicht darauf geachtet, als ich losging. Hier ist ein kleiner Filmbericht. Es war richtig voll und schon ab der Mariannenstraße weiträumig abgesperrt. Gar nicht so klein der Rio-Reiser-Platz, aber doch heimelig, mit den individuellen Läden und Lokalen rundherum.
Ich war ewig nicht in der Ecke. Als ich noch nicht in Berlin lebte, wusste ich, dass Ton Steine Scherben da sind, und dass Rio – damals – in der Adalbertstraße wohnte. Das hat mich auch nach Berlin gezogen. Die Stadt von Ton Steine Scherben und der Einstürzenden Neubauten. Cool! Es hieß dann zwar bald, dass sich Rio nun auf den Hof nach Fresenhagen verzogen hätte, aber sein Bruder hat in einem jüngsten Interview etwas Interessantes ausgeplaudert, das mir neu war, nämlich:
„(…) Da gibt’s jetzt Feinschmeckerlokale und Galerien – da war früher gar nicht dran zu denken. Wenn das damals schon so gewesen wäre, wäre ich gar nicht weggezogen. Aber dass eine Gegend sich so sehr ändern kann, finde ich bemerkenswert. Die Atmosphäre ist so anders da inzwischen. Auch Rio hatte ja bis zu seinem Tod eine Wohnung dort, in der er einen Großteil seiner Zeit verbracht hat. Das, was da heute zu erleben ist, ging ja damals schon langsam los. Das hat Rio nicht gestört. Da war er nicht so empfindlich. Er hat es eben auch in Nordfriesland, wo er ja in Fresenhagen auf einem Bauernhof lebte, auch nicht mehr wirklich ausgehalten. Das war ihm zu weit weg von allem. Die Kreuzberger Atmosphäre war ihm näher als das von Bauern geprägte Nordfriesland.“
Also neu war mir, dass Rio sich bis zu seinem Tod nicht hauptsächlich in Fresenhagen, sondern in Kreuzberg aufgehalten hat. Als ich das gestern gelesen habe, hat es mich irgendwie beruhigt und eine Irritation beseitigt, die ich zeitlebens im Zusammenhang mit diesem Landleben in Fresenhagen in Verbindung mit Rio hatte. Er war also doch meistens in Berlin! Dass er in Fresenhagen gestorben ist, war dann vielleicht nur, weil er mal ein bißchen Lust auf Sommer auf dem Land hatte, zwischendurch.
Ich war damals auch betrübt, dass er nicht in Berlin sein Grab hatte, sondern dort. Aber das hat sich ja am 11. Februar 2011 durch die Umbettung nach Schöneberg zurechtgeruckelt. Da war ich auch schon so erleichtert. Rio hat mich immer beschäftigt, ich habe ihn sehr geliebt, wie einen Bruder.
Gestern hat Gloria Viagra die Bühne mit einer Moderation eröffnet und sie hat mich richtig beeindruckt. Eine Urberliner Pflanze mit Herz und Verstand und unheimlich kämpferisch. Sie hat gleich klargemacht, dass wir als nächstes noch einen Ton-Steine-Scherben-Platz in Kreuzberg brauchen, ja fordern! Entzückend.
Dann haben die übrigen Scherben mit Unterstützung von verschiedenen Gastmusikern und Sängern ein paar bekannte Songs gespielt, da war großes Hallo, als sie die Bühne betraten. Allerdings habe ich Lanrue an der Gitarre vermisst, obwohl er laut Wikipedia immer noch in der aktuellen Besetzung aufgeführt wird. Und Rio fehlt so. Ton Steine Scherben ohne Rio und Lanrue ist wie die Stones ohne Mick und Keith.
Im Publikum waren alle Generationen, wobei ich vermute, dass die Jüngeren doch hauptsächlich die Kids der alten Scherben- und Rio-Fans waren. Wenn nicht, sollte es mich freuen. Auf jeden Fall eine total schöne Sache, dass wir jetzt in Berlin einen Rio-Platz haben. Bin mir auch sicher, dass er ihn an genau der Ecke gut gefunden hätte. Eindeutig schöner als die Kraut- und Rüben-Ecke am Kottbusser Tor, zum Beispiel.
Der Kotti treibt mich schon immer in den Wahnsinn, weil ich nie weiß, in welche Richtung ich mich orientieren muss. 1986 habe ich unter anderem ein paar Monate in Kreuzberg gewohnt, in der Prinzessinnenstraße, da war er meine nächste U-Bahnhaltestelle, neben dem Moritzplatz. Selbst damals hatte ich Orientierungsschwierigkeiten, obwohl ich kein orientierungsloser Typ bin. Als ich zurück zur U-Bahn bin, fielen mir erst die vielen Plakate für den Festakt auf, die ich nirgendwo sonst in Berlin gesehen habe. Hätte ich gerne fotografiert, ging aber nicht mehr.



