Das war gestern eine Faschingsparty mit Hindernissen. Ich war nach dem Schornsteinfeger-Termin und meinem Gewerkel eigentlich etwas müde, gar nicht in Stimmung mich großartig zu verkleiden, aber wollte mich dazu zwingen, um keine Spielverderberin, sondern ein „good sport“ wie der Brite sagt, zu sein. Also nahm ichs sportlich. Klar war, dass ich mit Vorhandenem arbeiten würde, nichts dazukaufe.

Nun sollte man auch wissen, dass meine letzte Faschingsparty circa um mein zwölftes Lebensjahr herum stattgefunden haben dürfte. Danach war ich strikte Faschings-Verweigerin, ja geradezu stolz, dass ich in ein Bundesland ausgewandert war, in dem Karneval und Fasching eine Fußnote war, die Tage bekam ja auch niemand arbeitsfrei.

Auch in diesem Jahr drängte es mich nicht, nach Faschingsparty-Terminen Ausschau zu halten. Obwohl mir niemand vorwerfen kann, Verkleidungsexperimente zu scheuen, nur dass ich dafür kein Faschings-Etikett benötige. Nun begab es sich aber, dass meine Berliner Lieblings-Coverband, der Berlin Beat Club, zur Faschingsparty ins Ballhaus in der Chausseestraße einlud.

Da ich mich der Gruppe mit großer Solidarität verbunden fühle, und das gestrige Konzert der Auftakt einer Reihe an einem neuen Standort sein könnte, nachdem das Rickenbacker’s das Zeitliche segnete, wollte ich mich nicht sperren und das Spielchen mitspielen. Ich freute mich auch schon auf die Verkleidungen der Bandmitglieder, da hatte ich auf einem Foto – wie bereits erwähnt – schon ein fulminantes Beispiel mit John & Yoko-Verkleidung gesehen.

Ich kam also mit meinen Einkaufstüten kurz vor Fünf nach Hause, schaute auf die Uhr und befand, ein Schläfchen könnte meine Verfassung richten. So geschehen, ich stand um Sechs wieder auf, haute mir Nürnberger Rostbratwürstchen in die Pfanne, da ich schon wusste, dass es dort nichts zu essen gäbe. Also Stärkung von Nöten. Beim Essen ging mir durch den Kopf, dass mir definitiv nicht nach einem luftigen Fähnchen oder Flatterkleidchen war, auch nackte Arme wollte ich nicht präsentieren. Ratter ratter in meinem Kopf. Langärmlig?

Ich dachte zehn Sekunden, ich könnte mich als Existenzialistin verkleiden. Schwarze Hose, schwarzer Rollkragenpullover. Fertig. Aber wer erkennt das denn? Nicht mal eine Juliette Gréco-Perücke hätte ich, um den Wiedererkennungswert einer „Existentialistin“ im Paris der Fünfziger Jahre zu bestärken. Auch wollte ich nicht die ganze Zeit mit einem Sartre- oder Beauvoir-Schinken unter dem Arm herumlaufen. Wie anstrengend! Mir erschien bald jede Verkleidung zu anstrengend. Dann der Gedanke: „Ach was solls, ich klebe mir einfach nur ein paar meiner überdrehten Las Vegas-Glitzerwimpern an. Fertig“.

Irrtum. Ich legte mir die verschiedenen Wimpernsets zurecht und am meisten blinkten mich die mit dem Strass an. Dabei kam mir die Idee, ich könnte ja in die bling-bling-Richtung gehen. Und da war dann der Gedanke zu „russische Oligarchin“ nicht mehr weit. Der Gedanke gefiel mir immer besser, ich hatte doch auch noch diese Webpelz-Weste, kombiniert mit Zuchtperlenkette und Glitzerkram, könnte das doch recht „wohlhabend“ wirken. Und dann mein Zebra-Webpelzmantel. Und dann auch noch die passende riesige Fellmütze dazu. Wenn das nicht reich aussieht, dann weiß ich auch nicht!

Also ich fing an, mir die Wimpern ankleben zu wollen. Dabei stellte sich heraus, dass der Wimpernkleber in der kleinen Tube von Anno 2019 schon weitgehend eingetrocknet war. Nur in der unzugänglichen Tubenmitte war es noch flüssig. Ich nahm ein spitzes Messer und stocherte herum, bis was Flüssiges rauskam. Das ließ sich dann aber nicht so gezielt auftragen, wie normalerweise. Ich schmierte mir das Zeug mit Hilfe der Messerspitze auf die Augendeckel. Leider nicht so, wie es soll. Man macht da eigentlich nur einen dünnen Streifen, wie Eyeliner, direkt an der Wimpernkante, aber ich hatte das Zeug auf dem ganzen Augenlid und auch noch unten. Mit Erfolg hatte ich mir nun das linke Auge zugeklebt!

Da ich auch eine Augenklappe besitze, hätte ich nun als Piratin gehen können, aber ich zog es vor, das Auge wieder zu öffnen, indem ich den halbtrockenen, gummiartigen Klebstoff von meinen Wimpern, meinen echten, abzog. Drei weitere Anläufe brachten auch keinen Erfolg, außer dass das eine Auge nun ganz rot war. Ich hatte nun reichlich Zeit verplempert und beließ es make up-mäßig bei dem Üblichen, nur dass ich einen längeren Lidstrich zog.

Dann den schwarzen Rollkragenpullover, die Fellweste, eine schwarze partymäßige Schlaghose mit einem weißen Glitzerdrachen an den Hosenbeinen, schwarze Stiefeletten und ordentlich Schmuck. Das war auch noch ein Gesuche und Gefummel. Am Ende zwei Zuchtperlenketten, ein Strasshalsband und eine Strassbrosche an einer Kette und noch ein Glitzerarmband. Fertig! Wäre es mir früher eingefallen, hätte ich mir noch so lange Fingernägel angeklebt. Aber was der Haushalt nicht hergibt, gibt er nicht her. Für Lackieren war auch keine Zeit.

Nun noch schnell ins Internet, Messages checken. Da musste ich nun zur Kenntnis nehmen, dass Ina unpässlich war und Lydia anderweitig orientiert. Egal! Jetzt war ich schon aufgestylt, jetzt wollte ich auch hin. Das bin ich dem Berlin Beat Club schuldig! Ich fühlte mich schon etwas prunkvoller als sonst, als ich mit dem ganzen Zinnober in die U-Bahn Richtung Naturkundemuseum stieg. Meine Angeber-Versace-Sonnenbrille hatte ich noch in die Pelzmütze geschoben. Albern! Aber solche Sachen sieht man ja mitunter.

Ich habe natürlich mehrere Role Models in meinem Kopf, ohne Namen nennen zu können, wie ich mir eine „russische Oligarchin“ vorstelle. Ich muss sagen, ich sah eigentlich besser aus, als die echten Oligarchenfrauen, die ich neulich in einer Doku sah, die mir Lydia empfohlen hatte. Da saßen Frauen über vergangene Ehen mit Oligarchen klagend in nachgemachten Barockmöbeln und boten ein eher bedauernswertes Bild, als ein vor Luxus und Glamour strahlendes Erfolgsmodell. Ich konnte die Doku deswegen auch nicht zu Ende schauen, es war alles so trostlos.

Ich schaltete dann schnell zu einer mehrteiligen Doku über die High Society von Monaco. Das ging schon eher in die Richtung der bling-bling-Russin. Man weiß ja, dass der reiche Russe und auch die reiche Russin Südfrankreich liebt. Kaum eine stolze Premium-Villa, die nicht fest in Oligarchenhand ist. Zum Beispiel die legendäre Villa, in der die Stones „Exile on Mainstreet“ aufgenommen haben, Nellcôte, fest in Oligarchenhand. Wenn auch zum Kriegsbeginn letztes Jahr von der französischen Regierung beschlagnahmt.

Wie auch immer – ich kam also als „russische Oligarchin“ im Ballhaus an. Und schon am Eingang wurde mir klar, dass sich meine „Verkleidung“ nun bereits zu fünfzig Prozent in Nichts auflösen würde, da ich den Pelzmantel und die Pelzmütze abzugeben hatte. Bzw. hätte ich die Mütze aufbehalten dürfen, aber sie war mir zu warm! Nun betrat ich also nur noch in Fellweste und bling bling-Schmuck den Festsaal. Ich sah ganz adrett aus, aber mitnichten verkleidet!

Es war gut besucht, viele bekannte Gesichter der festen Fan Base vom Berlin Beat Club hatten sich nach Mitte begeben. Die Band stand schon auf der Bühne und ich war hin und weg, wie der Sänger Tom Thiede aussah. Sonst zieht er zu den Auftritten immer so Hippie-Zeugs an, Rüschenhemden, wild Gemustertes, Peacezeichen-Kette. So eine Mischung aus sehr lustig und sehr schrecklich. Ist natürlich Geschmackssache und auch wirklich eher lustig gemeint.

Aber diesmal! Ich war sofort Fan des Looks. Er hatte sich als Pharao verkleidet, ganz in Schwarz und Gold. Ein Traum! So ähnlich wie dieses Kostüm. Die Tut-Ench-Amun-Kopfbedeckung schwarz und gold gestreift, bis über die Schultern fallend, dazu ein schwarzes, Kimono-artiges Gewand mit goldener Schärpe. Ganz arg schön! Am Ende von manchen Songs machte er als Krönung so Anbetungsposen, wie man es von alten ägyptischen Wandmalereien kennt. Ich finde, das sollte er immer anziehen. Habe ich ihm auch gesagt!

Der Drummer Richard beabsichtigte wohl, sich als Frau zu verkleiden, mit roter Langhaarperücke, schwarzem Kostüm und roter Sonnenbrille, sah aber aus wie ein sehr cooler Rockstar, eine Mischung aus einem Ramone und David Bowie. Leeman ging als Cowboy mit hübschem Colt in der Tasche, Hans machte auf Raubkätzchen mit Leopardenhemd und Leopardenhose und ein paar aufgemalten Schnurrhaaren. Gabi am Bass fehlte leider, wurde aber durch einen Las Vegas-mäßig gestylten Herrn mit Schnäuzer und Rüschenhemd und Sonnenbrille vertreten.

Selbstverständlich erkannte keiner meine „Verkleidung“. Ich unternahm nur einen Versuch, sie zu erklären, Hans gegenüber. Konziliant wie er ist, versuchte er mich zu bestärken, dass es schon irgendwie erkennbar wäre, wenn ich jetzt zum Beispiel an die Bar ginge und den teuersten Rotwein, den sie haben, bestellte. Äh ja. Stattdessen gab ich dem jungen Mann bei einem der drei Biere übertrieben viel Trinkgeld. Er guckte regelrecht irritiert. Aber dass ihm dabei der Gedanke „russische Oligarchin?“ kam, wage ich zu bezweifeln.

Nach einer Weile kam wieder die gewohnte, typische BBC-Mitgroove-und Mitsing-Stimmung auf, es war doch recht schön. Unter den Verkleideten identifizierte ich unter anderem den einen weiblichen Fan, den ich immer insgeheim „Uschi Nerke“ nenne, die hatte sich eine gerüschte Schlafhaube aufgesetzt, kombiniert mit einem gestreiften Pyjama. Außerdem am Start: ein grauhaariger „Rennfahrer“ mit Overall, auf dessen Rücken in Glitzerbuchstaben „SAAB“ aufgeklebt war. War mir jetzt nicht so als DIE Rennauto-Marke geläufig, aber ich bin da auch nicht so auf dem Laufenden.

Einer mit von Natur aus wenig Haaren hatte ein Piratenkostüm an, sogar mit Plastik-Dolch, den er rhythmisch über seinem Kopf schwingen ließ. Das sah beinah ein bißchen gefährlich aus, aber ich mochte es. Dann gab es einen knallroten Offizier, zwei Cowgirls, einen Bayern, ein Dirndl, eine rote Pappnase, einen Sträfling und einen Matrosen. Ansonsten, der Rest: HIPPIES! Da wäre ich ja noch weniger als sowieso schon aufgefallen!

War aber auch so unterm Radar toll, den Zirkus zu erleben. Manchmal ging ich nach oben, hinter die Balustrade und beobachtete aus dem Hinterhalt. Aber ansonsten auch immer wieder mal getanzt. Am besten die Stimmung am nähesten an der Bühne. Nach dem dritten Veltins (eigentlich nicht so mein Geschmack, zu wenig herb), war ich dann auch bettschwer. Im dritten Set blieb ich bis zu „Marmor, Stein und Eisen bricht“, das hatte ich noch nie vom Berlin Beat Club gehört und lauthals mitgesungen, herrlich! Das war gestern mein kleiner Höhepunkt, besser konnte es nicht mehr werden. War schön!

4 Antworten auf „17. Februar 2023

  1. Ina Weisse
    Wie vergnüglich zu lesen, wie schade, dass ich nicht dabei war….

    Gaga Nielsen
    Du hättest Dich in Tom als Pharao verliebt! 😍

    Ina Weisse
    find ihn ja eh schon cool

  2. Lydia G.
    Das nächste Mal werde ich dabei sein. Und dann aber passabel verkleidet 😉

    Gaga Nielsen
    Wir brauchen keine Faschings-Erlaubnis zum Verkleiden! 🙂

  3. Maria Schuster
    Danke für den Bericht. Hätte das Erlebnis gerne live mit Dir geteilt! 💋

    Gaga Nielsen
    Lass uns bitte zur nächsten BBC-Show im Ballhaus zusammen gehen ❤

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