Heute: Handarbeiten. NEIN! Nicht gähnen, bitte weiterlesen! Ich nähe von Hand einen langen, netzartigen, eisgrauen Schal mit Lurexfäden auf einen flauschigen hellgrauen Fransenschal. Dann habe ich einen passenden Schal zu meinem Silberoutfit, der was hermacht und nicht kratzt. Der glitzernde Schal war das erste etwas extravagantere Kleidungsstück, das ich je besaß.

Es muss 1978 gewesen sein. Die Konfirmationsfeier stand an. Mein Bruder, der nur anderthalb Jahre älter war, war vierzehn, dem damals üblichen Alter für die Konfirmation. Ich war zwischen zwölf und dreizehn und unsere Eltern hielten es für eine gute Idee, uns gemeinsam zum Konfirmanden-Unterricht zum Pfarrer zu schicken.

Der Unterricht wurde in einer Nachmittagsgruppe mit den anderen Konfirmanden im Alter meines Bruders abgehalten. Für die Feier war es üblich, ein festliches schwarz-weißes Ensemble anzuziehen, die Mädchen üblicherweise ein schwarzes Kostüm mit weißer Bluse oder ein schwarzes Kleid, gerne aus Samt, mit einem weißen Kragen. Von den pubertierenden Jungs wurde erwartet, zu diesem Anlass einen Anzug tragen. Nicht sehr beliebt bei vierzehnjährigen Jeans-Trägern in den Siebziger Jahren.

Ich sträubte mich vehement, eines der zur Auswahl stehenden artigen Kostüme oder Kleider zu tragen, ich fand das nicht schick und modern. Ich wollte einen Hosenanzug! Ich war absolut stur und kämpferisch und Hosenanzüge für Mädchen und Frauen waren sowieso gerade in Mode, so dass es in der Abteilung mit Konfirmanden-Kleidung tatsächlich einen einzigen schwarzen Hosenanzug aus Samt gab. Die Hose natürlich mit Schlag. Dazu eine rüschenfreie weiße Hemdbluse und als Krönung diesen silbern glitzernden langen Schal, einmal um den Hals geschlungen, die Enden hingen lässig bis zur Hüfte, über das Samtrevers des taillierten Blazers.

Den Samtblazer zog ich später fast täglich zur Schule an, das war cool und angesagt. Den Schal auch. Mit dem konnte man zur Plattenparty gehen, der Wochenend-Disco für Jugendliche im evangelischen Jugendheim! Dazu Kajal, Wimperntusche und Lipgloss mit Mandarinengeschmack! Es gab die Hits von Saturday Night Fever, die wir liebten: Stayin Alive und Night Fever, yeah! Und die Moves des unfassbar gutaussehenden John Travolta, uhh…! Die anderen Mädels aus der Konfirmandengruppe hatten von ihrer Konfirmation leider keine Teile, die sie zur Plattenparty hätten anziehen können.

Aber noch eine Extravaganz wurde mir zur Konfirmation gestattet: schwarze, hochhackige Nappaleder-Stiefeletten. Spitz zulaufend, zehn Zentimeter Absatz. Todschick! Die teuersten Schuhe, die ich bis dahin hatte. Ich fühlte mich richtig erwachsen damit. Ich war bereit für John Travolta! Auch die trug ich gerne und oft danach.

Ich war mit diesem Ausgeh-Outfit wohl die coolste Konfirmandin im ganzen Land, zumindest 1978, und fühlte mich sehr rebellisch und wegweisend! Es gibt kein anderes Kleidungsstück, das ich von den Siebziger Jahren in mein Erwachsenenleben rübergerettet habe, außer diesen Glitzerschal mit der aufregenden Disco-Aura von Saturday Night Fever. Wenn ich das gute Stück auf den weichen Fransenschal aufgenäht habe, mache ich ein Foto davon und schaue, ob ich auch eins von der Konfirmation finde.

4 Antworten auf „10. Januar 2023

  1. P.S. Weitere Disco-Super-Mega-Hits von 1978: Miss You von den Glimmer Twins, I will Survive von Gloria Gaynor und Everyone’s a Winner von Hot Chocolate. Schon toll.

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