
Thema „Silvesterparty“. Ich muss sehr lange überlegen, wann ich zuletzt zu einer privaten Silvesterparty eingeladen war. Dieses Jahr jedenfalls nicht und letztes auch nicht. Dunkel, aber doch deutlich ist mir in Erinnerung, dass ich in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine private Silvester-Einladung hatte. In eine Altbauwohnung am KuDamm. Die Gastgeber ein Geschwisterpaar, Bruder und Schwester, das dort wohnte. Sie Architekturstudentin, er Schauspieler. Beide waren sehr musisch veranlagt und spielten auch Musikinstrumente, aber nicht an dem Abend (vormals Waldorf-Schüler). Er hieß Kilian und hätte gut und gerne in einem Fünfziger Jahre-Liebesfilm die männliche Hauptrolle spielen können. Groß gewachsen, schlank, sportliche Figur, gute Haltung, fein geschnittene Gesichtszüge und leicht gewelltes, glänzendes dunkelblondes Haar, ordentlich frisiert. Ein Mittelding aus Kurzhaarschnitt und etwas länger, leicht künstlerisch. Seitenscheitel meine ich mich zu erinnern. Kluge, blaue Augen, gewinnendes Lächeln, vorzügliche Umgangsformen, außerordentlich höflich, fast schon höfisch, aber so locker vom Hocker. Beide. Ein adeliger Stammbaum hätte einen auch nicht gewundert. Immer auch lustig, die zwei. Überdurchschnittlich intelligent und eloquent. Jedenfalls gab es Buffet und gute Musik vom Platten- oder CD-Spieler reichlich Getränke, einige Partyspiele, an die ich mich nicht genauer erinnere. Zu Mitternacht forderte mich der um einiges jüngere Kilian zum Tanz auf und zwar zum Wiener Walzer! Er wirbelte mich zu einer Melodie von Johann Strauß im Kreis und wir traten uns kein einziges mal auf die Füße. Es war herrlich! Ich kam mir wie eine Prinzessin vor – ja fast schon wie Kaiserin Elisabeth von Österrreich und Ungarn! Ein ganz unvergessliches Erlebnis. Das einzige mal in meinem ganzen Leben, dass ich nach den Tanzstunden in den frühen Achtziger Jahren noch einmal Walzerschritte unternahm. Ich hatte sie offenbar nicht vergessen und das, obwohl ich mich nicht sehr geschickt anstellte, wenn es darum ging, Schrittfolgen zu behalten.

Alle anderen Silvester habe ich entweder gar nicht oder in öffentlichen Lokalitäten verbracht. Gestern schaute ich mal wieder in die ARD Retro Mediathek rein und stieß auf einen ansprechenden Filmbericht aus dem Jahre 1962. „Der arrivierte Trödelladen“. In den ersten drei Minuten ist eine private Festgesellschaft zu sehen, auch beim Tanz. Die Damen tragen elegante Cocktailkleider, die Herren dunklen Anzug. Auf Servierplatten werden Häppchen gereicht, moderate Musik, nicht zu strapazierend, das Tanzbein wird gepflegt geschwungen. Das wäre so eine Silvesterparty nach meinem Geschmack. Ansprechende Räume mit erlesenen Antiquitäten, Platz für Tanzbewegungen, Sitzgelegenheiten, für das leibliche Wohl ist gesorgt. Aber ich liege mit derlei Wünschen wohl nicht ganz im Trend. Daher werde ich wohl abermals auf ein Stelldichein verzichten. In Clubs, wo hämmernde Beats in Lautstärke zu Gehör gebracht werden, die gepflegte Konversation unterbindet, mag ich nicht gehen. Zudem trinke ich derzeit nur sehr wenig Alkoholisches, nicht aus Vorsatz, eher aus Unlust. Im Französischen Dom scheint es ein Etablissement zu geben, das ein Silvester-Dinner ausrichtet und zum Jahreswechsel kann man die Aussichtsplattform begehen und das Feuerwerk bewundern.

Jedenfalls, wenn man nicht so gestört ist, wie ich. Mich bringt so schnell nichts unter offenen Himmel, seit mich Anno 1988 war es wohl, mal ein Silvesterböller traf und mein Haarschopf brannte. Zum Glück ist das Ohr noch dran, wurde auch nicht angekokelt. Der Geruch der eigenen brennenden Haare ist doch recht unangenehm. Silvester daheim hat auch den Vorteil, dass man die Getränke und das Essen schon bezahlt hat, es droht keine exorbitante Zeche. Und das Bett ist auch ganz herrlich nah. Zudem sind meist ein paar Alt-Blogger vor dem Gerät und entbieten Neujahrs-Glückwünsche. Das klingt doch gar nicht mal so schlecht.
