https://www.flickr.com/apps/slideshow/show.swf?v=1811922554

Sagen wir: „berühmte Sehenswürdigkeiten„, die es bei mir in den Recall geschafft haben. Ich lasse natürlich auch ganz viel aus. Zum Beispiel lese ich nun im Wikipedia, dass es im Graben (oder sagt man „auf dem“ Graben?) eine Pestsäule gibt. Äh ja. Das ist mir ehrlich gesagt schnurzpiep nur diese Fußnote wert. Ich bin da wahrscheinlich vorbeigelaufen, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Dafür musste ich aber wie vom Donner gerührt vor Kniže stehenbleiben. Es war ein religiöser Moment. KNIZE! Tja. Warum kriege ich eine Gänsehaut, wenn ich vor einem traditionsreichen Geschäft für maßgeschneiderte Herren-Anzüge stehe? Ich bin ja nicht einmal die Zielgruppe. Aber KNIZE. Vor Kniže zu stehen, war meine absolute Sternstunde im Graben. Auf dem Graben. Wie auch immer. Das ist wie vor Dior in der Avenue Montaigne in Paris. Oder dem Palazzo Pucci in Florenz. Dort habe ich ähnliche Andachten gehalten. Da laufen so viele Schwarzweiß-Filme mit Schlieren in mir ab, ich kann das gar nicht in Worte fassen. Vielleicht war ich ja im früheren Leben ein eleganter Herr, der bei Kniže arbeiten hat lassen. Wer weiß! Auch das Motto auf der Seite von Knize finde ich nicht verkehrt: “Die unausweichliche Frage nach dem Stil beginnt mit der Überwindung der Mode.” Tradition seit 1858. Bei Wikipedia lese ich gerade noch eine schöne Litanei der berühmten Kniže-Kundschaft: „Vor allem Künstler waren in früherer Zeit Kunden bei Kniže. So bezahlte Oskar Kokoschka seine Anzüge mit Gemälden, für Marilyn Monroe wurden Blusen gefertigt, für Kurt Tucholsky Hemden, für Josephine Baker Skihosen. Auch Marlene Dietrich ließ sich bei Kniže Fracks für ihre Bühnenshows schneidern, und Billy Wilder stattete dem Haus bei seinem letzten Wienaufenthalt einen längeren Besuch ab. Kunden waren auch Maurice Chevalier sowie Laurence Olivier, Willi Forst und Fritz Lang sowie vornehmlich Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft und Aristokraten wie König Juan Carlos von Spanien“(…) Gerade finde ich noch einen anekdotenreichen Artikel: „Wenn Billy Wilder kam, herrschte Ausnahmezustand“.

In diesem schönen Stadtpalais ist aber noch ein weiteres Traditionsgeschäft zuhause: Albin Denk. „Porzellan, Kristall, Geschenkartikel. Für jeden Anlass. Seit 1702. Ehem. k.u.k. Hoflieferant“. Seit Siebzehnhundertzwei. Ich weiß jetzt nicht, auf wievielen Internetseiten von Wiener Geschäften ich inzwischen war, wo einem beeindruckende Gründungsjahre um die Ohren gehauen werden, dass es nur so kracht. Aber 1702. Schon recht ungewohnt, dass sich ein Geschäft auf eine dreihundertzwölf-jährige Existenz berufen kann. Man muss direkt hysterisch lachen. Also ich jedenfalls. Und bei so einer langen Tradition schmerzt das ‚ehem.‘ (k.u.k. Hoflief.) dann noch mehr als sowieso schon! Ach. Es ist halt nichts für ewig auf dieser schönen Welt. Außer Albin Denk!

: : alle Wiener Geschichten : :

8 Antworten auf „05. November 2014

  1. Gerne berichten Sie hier bitte von Ihrem Eindruck des Duftwassers! Was für ein Versäumnis, wenn ich den Satz des berühmten Schriftstellers nie erfahren hätte, weil ich einfach nicht die Zeit gefunden hätte, noch eindringlicher zu recherchieren, obgleich es diese Sehenswürdigkeit verdient hätte. (Mein persönlicher Vorschlag für „World Heritage“ – die Wiener Altstadt ist ja schon Weltkulturerbe, aber die Geschäfte müssen natürlich auch bleiben!)

  2. Interessante Beschreibung des Duftes auf einer Parfum-Seite:

    Knize Ten
    von Knize (1925)

    Erschienen im Jahr 1925, wird offenbar noch produziert.
    Parfümeure: François Coty, Vincent Roubert

    Kopfnote
    Bergamotte, Orange, Petitgrain, Rosmarin, Zitrone

    Herznote
    Gartennelke, Geranie, Gewürznelke, Iris, Rose, Sandelholz,
    Zedernholz, Zimt

    Basisnote
    Ambra, Bibergeil, Leder, Moos, Moschus, Vanille

    („Bibergeil“. Interessant.)

  3. Die Geschäfte und natürlich Ihr Blog, der sich zunehmend in ein virtuellwienerisches Seitengasserl verwandelt. Und sich da stilistisch tadellos einreiht. Brauchen’S nix zum ändern. Bleiben’S grad aso, bitteschön. Web Heritage.

  4. @Parfüm Hübsche Seite, danke für die Anregung. Und mit lustigen Kommentaren („Scharfer Reiniger auf altem Lederlappen”); ist ja eine Herausforderung, Dufterlebnisse in Sprache abzubilden.

  5. Wenn Sie nicht stetig die aufmerksamere Lektüre beschwören würden! Das ist ja von einer dichterischen – ja ich möchte sagen – Plastizität – dass man immer weiterlesen möchte!

    „Der Beginn: auf Krawall gebürstet. (…) Das Gummiartige, das oben im Infotext anklingt, lässt mich etwas an „Habit Rouge“ denken. Hier allerdings dominiert ein kräuteriges Gummibonbon zum Kauen. Das ist schon recht speziell“

    Man wird auf jeden Fall neugierig. Das Biberdings ist übrigens genau das, was man vermutet. Steht auch im Wikipedia, muss man aber nicht dringend nachlesen, sofern man mit durchschnittlicher Vorstellungskraft gesegnet ist. Also ich würde den Duft unbedingt im nächsten Parfumgeschäft riechen wollen. Grenzerfahrungen sind mein Lebensthema!

  6. Unglaublich! Ich gehe demnächst als Wahrsagerin!

    Ich schwöre, ich hatte keine Kenntnis von diesem Artikel von Volker Schlöndorff, als ich den obigen Kommentar schrieb! Erst danach hab ich spaßeshalber mal gegoogelt „Gregor von Rezzori“ Knize. Da kommt als Ergebnis allen Ernstes ein Artikel von Volker Schlöndorff, wo er nicht nur bestätigt, dass Rezzori Knize benutzt hat, sondern auch noch, dass er selber seitdem Knize benutzt!

    http://www.volkerschloendorff.com/personen/gregor-von-rezzori/

    Will irgendwer die Lottozahlen vom nächsten Samstag wissen?

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