Heute Nachmittag ein Telefonat, das mich beschäftigt. Was kann man missverständlicherweise von einigem halten, was ich in der Öffentlichkeit zeige? In meiner Suppe schwimmend, denke ich immer, ich agiere in einem komplexen Kontext, der leicht zu erfassen ist. Aber das stimmt nicht. Denn niemand kann, könnte, der jetzt erst auf mich stößt, rational, in der von mir erlebten und gemeinten Komplexität verstehen, wie ich ohne Disclaimer in der Reihe von Opus 1 – Opus 97 ein Video zeigen kann, in dessen Abspann „to Leni“ oder „dedicated to Leni Riefenstahl“ steht, und zugleich eine heftige Gegnerin jeglicher Nazi-Ideologie sein kann. Bin. Gut, dass ich darauf hingewiesen werde. Ich habe jetzt einen mit Sicherheit unzulänglichen Disclaimer darunter geschrieben. Ich weiß um alle biographischen Ereignisse und zu geißelnden Vermächtnisse von und um Frau Riefenstahl, die einem in dieser Welt, zu dieser Zeit, hier und heute, zugänglich sein können. Da ist keine Koketterie im Spiel, keine Verniedlichung oder Ignoranz, was die Folgen ihrer Verstrickung anbelangt. Aber so könnte es interpretiert werden. Unendlich viel könnte ich jetzt schreiben, wie es mich beschäftigt, die Mechanismen zu durchschauen, die Werkzeuge, mit denen Macht erlangt wird. Und wie interessant ich den Gedanken finde, Machthaber, selbst rückwirkend, die ihre Macht für lebensverachtende Ideologien missbrauchen, zu entwaffnen, ihnen die Macht zu entziehen, sie vorzuführen. Sie durchschaubar zu machen. Indem man ihre Wirkungsweise analysiert und begreift. Und durchaus das Fasznierende daran, immer noch als faszinierend bestehen lässt. Funktion und Missbrauch auseinanderdividiert. Verdammt ja. Das ist hochkomplex. Ich würde das visuell hochgradig talentierte, eigenwillige Talent Leni Riefenstahl am liebsten rückwirkend auf die Seite einer guten Ideologie ziehen, einer mitfühlenden, nicht diktatorischen. Aber das diktatorisch. Ach. Ein aussichtsloses Unterfangen. Ja, komplex. Oder immerhin in der Gegenwart ein Bewusstsein für fatale Mechanismen schaffen. Wer mein Zeug hier lange liest, wird bemerkt haben, dass ich keine eindimensionalen Blickwinkel einnehme. Ich versuche immer, Ursachen auszuloten. Nicht, um etwas zu entschuldigen, sondern um ein Werkzeug in die Hand zu bekommen, konstruktiv für einen guten Geist aktiv zu werden. Ich lerne immer noch dazu. Danke für deinen Anruf, Victor.

4 Antworten auf „12. Februar 2014

  1. Es ist lange her, daß ich Biografien über Leni Riefenstahl las. Fasziniert fand ich einige. Ich erinnere mich an eine alte sehr linke, sehr lesbische Freundin, die sich für die (sebstverständlich umstrittenen, Ausbeutung und so) Porträts der Nuba von Kau (sp?) begeisterte. Ich halte die Dame für politisch mehr als naiv, egoman und bis (oder gerade) ins Alter störrisch und uneinsichtig. Aber eben auch eine Frau, und denen verzeiht man bekanntlich gar nichts. Jedenfalls nicht, wenn sie zugleich auch noch höchst erfolgreich waren. Und während ein Veit Harlan nach dem Krieg seine „Karriere“ fortsetzen konnte, wurde die störrische Alte geächtet.

    Jedenfalls kann die Riefenstahl gar nicht anders als beeindrucken. Als Bergsteigerin, Fotografin, Regisseurin. Künstler sind keine Politkanonen, so viel ist man klar. Disney übrigens war ein politischer Denunziant. Hört man auch zu wenig drüber.

  2. Es gibt immer wieder Menschen, die nicht differenzieren können und alles, das sie im Zusammenhang mit „böse“ sehen, am liebsten verdrängen, statt sich damit auseinanderzusetzen. Man bekommt ja schon empörte Kommentare, wenn man „Reichstag“ schreibt und als Wort benutzt. Erinnert mich immer an den Namen, der nicht ausgesprochen werden darf. Ich habe mich ebenfalls vor Jahren mal mit dem Werk und der Biographie von Leni Riefenstahl beschäftigt, weil sie mich als Person und in ihrem künstlerischen Antrieb interessiert hat und ich mehr über die Hintergründe wissen wollte, die zu ihrer Verstrickung mit den Nazis führten. Es ist für mich ebenfalls sehr faszinierend, mich mit den Ursachen von diesen Ereignissen zu befassen und dabei das Denken und die Überzeugungen einzelner Personen aus dieser Zeit zu verfolgen und ihren Ursprung zu finden, bzw. einfach zu erfassen, was in diesen Menschen vorging. Und so sehr ich die Nazi-Ideologie an sich ablehne, so anders kann ich manchmal die persönlichen Schicksale einzelner Menschen darin erkennen ohne zu urteilen. Heute ist es einfach zu sagen: „Ich niemals.“ Aber wer das sagt, erkennt nicht, daß ein Mensch in der Kindheit und auch später von seiner Umgebung geprägt wird und Überzeugungen übernimmt, die er manchmal nie wieder ablegt, so daß das eine zum anderen führt. Es weiß auch jeder, daß das Leben gerne seltsame Wege geht, und man sich plötzlich in den unmöglichsten Situationen wiederfindet, manchmal durch eigene Schuld, manchmal ohne. Jeder, der meint, sein eigenes Leben und sein moralisches Handeln jederzeit vollständig unter Kontrolle zu haben, ist zwar vielleicht beneidenswert, aber etwas naiv oder einfach uninteressiert. Das ist ein psychologische Betrachtung, mit der ich mich auch in meinem Buch auseinandergesetzt habe, welches auf zwei Geschichten beruht, die für mich kaum nachzuvollziehen sind und deshalb meine Neugier geweckt haben. Ich liebe es, dann und wann in die menschlichen Abgründe einzutauchen und festzustellen, daß sie vor niemandem Halt machen und ganz besonders nicht vor denen, die ihnen nicht ins Auge blicken wollen.

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