versuch, eine tulpe zu fotografieren. ich mag tulpen ja nicht so besonders. aalglatt und ordentlich im wuchs, kein geruch von wildnis. ein geschenktes exemplar hält sich hier tapfer aufrecht, fast schon rührt mich ihr bemühen um haltung, ohne dabei von mir hingerissene aufmerksamkeit zu ernten. hier hast du, kleine tulpe…

im nachtzug zwischen rostock und berlin lugt ein wölfisch aussehender mann in mein abteil mit den zugezogenen vorhängen. er würde sich gerne einfach nur ein bißchen unterhalten, ob das o.k. wäre. er scheint in meinem alter zu sein. irgendetwas an ihm macht mich neugierig. vielleicht der wilde blick und dazu seine kindlich wirkende frage. ich nicke, er setzt sich mir gegenüber.
er sei auf dem weg zurück nach holland, nachdem er die feiertage bei seiner familie in mecklenburg-vorpommern verbracht habe. er ist im ärger mit seiner frau auseinander gegangen, das macht ihm jetzt zu schaffen. und nun wieder tulpen pflücken. er sei tulpenpflücker. ich lausche fasziniert dem wort hinterher. der beruf des tulpenpflückers war mir bis dahin nicht bekannt. er erzählt von der anstrengenden arbeit in den holländischen zuchthäusern gewächshäusern, sechs tage die woche, zehn bis zwölf stunden jeden tag.
am ende der dreistündigen fahrt, in berlin, als ich aussteige und er weiterfährt, habe ich eine ganze menge über ihn erfahren. dass er die relativ gut bezahlte knochenarbeit, die so harmlos klingt, verrichtet, um den angeheirateten schuldenberg seiner jungen frau abzutragen. er hadert damit.
fliesenleger hat er gelernt. und noch irgendeinen facharbeiter und bekommt hier keine arbeit mehr. er erzählt ohne punkt und komma. zweimal war er im knast, wegen körperverletzung. er hat zudringliche zeitgenossen, die seinen freundinnen zu nahe getreten sind, krankenhausreif geprügelt. dem richter teilte er jeweils nach der urteilsverkündung mit: „ich würde es wieder ganz genauso machen“.
in bautzen sei er zum haftbeginn einige monate in einzelhaft gesteckt worden. in eine abgedunkelte zelle. ein fensterloses loch ohne elektrisches licht. das essen auf dem boden an die tür gestellt, zum ertasten. da dreht man durch.
er versuche seit einiger zeit das alles aufzuschreiben. und gedichte. er hat sich auch schon einen titel überlegt: die schlimmsten jahre meines lebens. ich muss lachen und sage: „das ist so dermaßen platt, dass es schon wieder gut ist“. er muss genauso lachen und meint: „wenn man dich zur freundin hätte, mit dir könnte man bestimmt pferde stehlen“ und zwinkert mir dabei zu. jens, der tulpenpflücker.
zwei stunden später ist er bei „wenn du meine frau wärst, würde ich dir die schönsten ecken von mecklenburg-vorpommern zeigen. nur mit dem fahrrad!“ ich sage gar nichts und muss grinsen. beim abschied drückt er mich an seinen wolfsbart und gibt mir ausgerechnet diesen ‚man sieht sich immer zweimal‘-spruch mit auf den weg, den ich noch nie kapiert habe.
31. januar 2006
grießbrei mit wodka. wärmt besser.


in den apfelbäumen | in den apfelbäumen | unterm leinenmond | schlafen dreizehn amseln | schlafen dreizehn amseln | und ich liebe dich | der geschickte fänger | der geschickte fänger | seht, er flickt das netz | knüpft auch dreizehn schlingen | knüpft auch dreizehn schlingen | und ich liebe dich | lautlos kommt das aufhören | lautlos kommt das aufhören | löst das fleisch der körper | von den dreizehn seelen | von den dreizehn seelen | und ich liebe dich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. heller
30. januar 2006

frau pluhar kriecht mir seltsam unter die haut

pluhar & darjeeling & pacman
30. januar 2006
versuch, eine tulpe zu fotografieren. ich mag tulpen ja nicht so besonders. aalglatt und ordentlich im wuchs, kein geruch von wildnis. ein geschenktes exemplar hält sich hier tapfer aufrecht, fast schon rührt mich ihr bemühen um haltung, ohne dabei von mir hingerissene aufmerksamkeit zu ernten. hier hast du, kleine tulpe…

im nachtzug zwischen rostock und berlin lugt ein wölfisch aussehender mann in mein abteil mit den zugezogenen vorhängen. er würde sich gerne einfach nur ein bißchen unterhalten, ob das o.k. wäre. er scheint in meinem alter zu sein. irgendetwas an ihm macht mich neugierig. vielleicht der wilde blick und dazu seine kindlich wirkende frage. ich nicke, er setzt sich mir gegenüber.
er sei auf dem weg zurück nach holland, nachdem er die feiertage bei seiner familie in mecklenburg-vorpommern verbracht habe. er ist im ärger mit seiner frau auseinander gegangen, das macht ihm jetzt zu schaffen. und nun wieder tulpen pflücken. er sei tulpenpflücker. ich lausche fasziniert dem wort hinterher. der beruf des tulpenpflückers war mir bis dahin nicht bekannt. er erzählt von der anstrengenden arbeit in den holländischen zuchthäusern gewächshäusern, sechs tage die woche, zehn bis zwölf stunden jeden tag.
am ende der dreistündigen fahrt, in berlin, als ich aussteige und er weiterfährt, habe ich eine ganze menge über ihn erfahren. dass er die relativ gut bezahlte knochenarbeit, die so harmlos klingt, verrichtet, um den angeheirateten schuldenberg seiner jungen frau abzutragen. er hadert damit.
fliesenleger hat er gelernt. und noch irgendeinen facharbeiter und bekommt hier keine arbeit mehr. er erzählt ohne punkt und komma. zweimal war er im knast, wegen körperverletzung. er hat zudringliche zeitgenossen, die seinen freundinnen zu nahe getreten sind, krankenhausreif geprügelt. dem richter teilte er jeweils nach der urteilsverkündung mit: „ich würde es wieder ganz genauso machen“.
in bautzen sei er zum haftbeginn einige monate in einzelhaft gesteckt worden. in eine abgedunkelte zelle. ein fensterloses loch ohne elektrisches licht. das essen auf dem boden an die tür gestellt, zum ertasten. da dreht man durch.
er versuche seit einiger zeit das alles aufzuschreiben. und gedichte. er hat sich auch schon einen titel überlegt: die schlimmsten jahre meines lebens. ich muss lachen und sage: „das ist so dermaßen platt, dass es schon wieder gut ist“. er muss genauso lachen und meint: „wenn man dich zur freundin hätte, mit dir könnte man bestimmt pferde stehlen“ und zwinkert mir dabei zu. jens, der tulpenpflücker.
zwei stunden später ist er bei „wenn du meine frau wärst, würde ich dir die schönsten ecken von mecklenburg-vorpommern zeigen. nur mit dem fahrrad!“ ich sage gar nichts und muss grinsen. beim abschied drückt er mich an seinen wolfsbart und gibt mir ausgerechnet diesen ‚man sieht sich immer zweimal‘-spruch mit auf den weg, den ich noch nie kapiert habe.
30. januar 2006

frau pluhar kriecht mir seltsam unter die haut

pluhar & darjeeling & pacman
20. januar 2006

kann man in gesichtern heimat finden. ja. man kann in lou reed und laurie anderson in coney island heimat finden. coney island baby…
im lehnen von june carter an johnny cash, in neil und einer ihn anla- chenden pegi young vom rücksitz eines autos, in iggys armen und seh- nen, patti smith’s versunkenheit, den langen haaren von willie nelson.
jenseits der tiefenschärfe weite. lust auf mississippidelta. ein paar unausgegorene becks und eminems bleiben flach. aber die alten gesichter sind heimat. a matter of trust.
annie leibovitz, american music bis 02.04. c/o, linienstr. 144
29. januar 2006

djuna ist heute in die klinik nach bremen eingeliefert worden. sie hat so eine art asthma und ausschlag. wenn sie laufen soll, kriegt sie schlecht luft und röchelt und zuckt herum. und fleckfieber. ein großer schwarzer fleck im gesicht, der mal links unten am kinn, mal rechts oben auf der stirn erscheint. vielleicht habe ich mich zu wenig um sie gekümmert in der letzten zeit und es ist nur psychosomatisch. vielleicht ist sie eifersüchtig. das bild da oben hat mein kleiner begleiter gemacht, der mir von der klinik zur überbrückung gestellt wurde. am besten ich erzähle djuna lieber nichts davon. hoffentlich ist sie bald wieder gesund. der krankenpfleger meint, man müsste so mit zwei bis drei wochen rechnen.
27. januar 2006
jimi hendrix pfeffersalami downtown train

[ progress ]
29. januar 2006

djuna ist heute in die klinik nach bremen eingeliefert worden. sie hat so eine art asthma und ausschlag. wenn sie laufen soll, kriegt sie schlecht luft und röchelt und zuckt herum. und fleckfieber. ein großer schwarzer fleck im gesicht, der mal links unten am kinn, mal rechts oben auf der stirn erscheint. vielleicht habe ich mich zu wenig um sie gekümmert in der letzten zeit und es ist nur psychosomatisch. vielleicht ist sie eifersüchtig. das bild da oben hat mein kleiner begleiter gemacht, der mir von der klinik zur überbrückung gestellt wurde. am besten ich erzähle djuna lieber nichts davon. hoffentlich ist sie bald wieder gesund. der krankenpfleger meint, man müsste so mit zwei bis drei wochen rechnen.
26. januar 2005

spät nachts nach hause gekommen, rechner an, mailpostfach, einmal geantwortet, bilder hochgeladen, auf die eigene seite geschaut, keine lust auf den rest. rechner runtergefahren. gutes gefühl. freier kopf. tiefer schlaf
27. januar 2006
jimi hendrix pfeffersalami downtown train

[ progress ]
26. januar 2005

spät nachts nach hause gekommen, rechner an, mailpostfach, einmal geantwortet, bilder hochgeladen, auf die eigene seite geschaut, keine lust auf den rest. rechner runtergefahren. gutes gefühl. freier kopf. tiefer schlaf
24. januar 2006
als ich merke, es läuft wieder auf filigranarbeit hinaus, bereits ein wenig fluche, halte ich inne und begreife, immendorff würde weinen vor glück, wenn er auch nur einen pinsel halten könnte. luxusgejammere. das ging mir heute mehrfach so. immer wieder musste ich an ihn denken. die verlorenen hände, die verlorene kraft. im farbauftrag liegt ein eigener unwägbarer zauber. die bewegungen rühren in eine dimension, die schwer zu beschreiben ist. musik tanzt mit dem gedankenfluss, die hand macht dabei, was sie muss. (ein unbeabsichtigter reim; wahr)

23. januar 2006

fertig.
24. januar 2006
als ich merke, es läuft wieder auf filigranarbeit hinaus, bereits ein wenig fluche, halte ich inne und begreife, immendorff würde weinen vor glück, wenn er auch nur einen pinsel halten könnte. luxusgejammere. das ging mir heute mehrfach so. immer wieder musste ich an ihn denken. die verlorenen hände, die verlorene kraft. im farbauftrag liegt ein eigener unwägbarer zauber. die bewegungen rühren in eine dimension, die schwer zu beschreiben ist. musik tanzt mit dem gedankenfluss, die hand macht dabei, was sie muss. (ein unbeabsichtigter reim; wahr)

23. januar 2006

fertig.
20. januar 2006

kann man in gesichtern heimat finden. ja. man kann in lou reed und laurie anderson in coney island heimat finden. coney island baby…
im lehnen von june carter an johnny cash, in neil und einer ihn anla- chenden pegi young vom rücksitz eines autos, in iggys armen und seh- nen, patti smith’s versunkenheit, den langen haaren von willie nelson.
jenseits der tiefenschärfe weite. lust auf mississippidelta. ein paar unausgegorene becks und eminems bleiben flach. aber die alten gesichter sind heimat. a matter of trust.
annie leibovitz, american music bis 02.04. c/o, linienstr. 144
20. januar 2006
20. januar 2006
16. januar 2006
ich hätte nicht gedacht, dass es dermaßen anstrengend ist, ein paar simple blockstreifen zu malen. noch elf und bloß nicht zittern. die am einfachsten erscheinenden dinge erweisen sich manchmal als die schwierigsten. eine freihandfigur kann niemand in frage stellen. reduk- tion sucht nach geradlinigkeit. reduktion, um etwas wesentliches auf dem kürzesten weg zu erreichen. den kürzesten weg von außen nach innen. zum innersten.


vielleicht mache ich es mir auch einfach schwer. (und gestern sage ich noch im taxi nach hinten: „im nächsten leben werde ich einfach“)
16. januar 2006
ich hätte nicht gedacht, dass es dermaßen anstrengend ist, ein paar simple blockstreifen zu malen. noch elf und bloß nicht zittern. die am einfachsten erscheinenden dinge erweisen sich manchmal als die schwierigsten. eine freihandfigur kann niemand in frage stellen. reduk- tion sucht nach geradlinigkeit. reduktion, um etwas wesentliches auf dem kürzesten weg zu erreichen. den kürzesten weg von außen nach innen. zum innersten.


vielleicht mache ich es mir auch einfach schwer. (und gestern sage ich noch im taxi nach hinten: „im nächsten leben werde ich einfach“)
14. januar 2006
13. januar 2006
10. januar 2005

vielleicht fragt sich mancher, wieso es nicht von allen bildern gibt, die gelesen haben. es hat nichts damit zu tun, dass sie bilder abgelehnt hätten. manchmal ist es für mich auch einfach schöner, nur zuzuhören. was mich wirklich beeindruckte – mehr als sonst – waren die stimmen. nicht nur der männlichen leser. bei modeste bekomme ich sofort eine leichte gänsehaut, sie liest, als ob man neben ihr auf dem kopfkissen liegt und sie einem zart ins ohr flüstert.
über weite strecken der lesung war ich in dem vorraum, der keine sicht auf die lesenden ermöglicht. ich hörte nur zu und unvermittelt stellten sich mir die nackenhaare auf. wer ist das nur. wem gehört diese stimme. wahnsinn. der schwer erkältete don dahlmann machte mich richtig nervös – ich habe seine stimme nicht mehr erkannt. dann parka lewis. wieso ist mir parka lewis noch nie aufgefallen. warum nur. dieses organ geht einem ja durch mark und bein. oder war es nur das mikrophon? (nein, nicht nur das mikrophon). burnster. naturgewalt.
mequito konnte mir ja noch nie auffallen, da ich ihn noch nie leibhaftig erlebt hatte. eine unvergessliche stimme. satt, sinnlich – man denkt sofort an essen, die guten dinge des lebens. dann die beinah ver- schwörerische barfrauen-tonlage von frau engl. das ohne vorwarnung den raum mit vibrieren erfüllende ohmmm von wortschnittchen.
don alphonso, der eine seinen martialischen schreiberton durch- kreuzende einfühlsamkeit in der stimme trägt, war ein bißchen zu schnell vorbei. ich hätte mir den text gerne auf der zunge zergehen lassen.
ich höre einem seltsam vertrauten, ja intime nähe vermittelnden ton bei frau frank zu. den mir als solchen noch nicht bekannten hochtalen- tierten stimmimitatorinnen lyssa, kaltmamsell und (alles but not least) frau schwadroneuse, die meine ganz persönliche neuentdeckung ist. nur herrn bunbury habe ich zu wenig aufmerksamkeit geschenkt. da hat mich wohl djuna gerade abgelenkt.
die stimmen werden mir in erinnerung an diesen abend bleiben. und warme blicke.
10. januar 2005

vielleicht fragt sich mancher, wieso es nicht von allen bildern gibt, die gelesen haben. es hat nichts damit zu tun, dass sie bilder abgelehnt hätten. manchmal ist es für mich auch einfach schöner, nur zuzuhören. was mich wirklich beeindruckte – mehr als sonst – waren die stimmen. nicht nur der männlichen leser. bei modeste bekomme ich sofort eine leichte gänsehaut, sie liest, als ob man neben ihr auf dem kopfkissen liegt und sie einem zart ins ohr flüstert.
über weite strecken der lesung war ich in dem vorraum, der keine sicht auf die lesenden ermöglicht. ich hörte nur zu und unvermittelt stellten sich mir die nackenhaare auf. wer ist das nur. wem gehört diese stimme. wahnsinn. der schwer erkältete don dahlmann machte mich richtig nervös – ich habe seine stimme nicht mehr erkannt. dann parka lewis. wieso ist mir parka lewis noch nie aufgefallen. warum nur. dieses organ geht einem ja durch mark und bein. oder war es nur das mikrophon? (nein, nicht nur das mikrophon). burnster. naturgewalt.
mequito konnte mir ja noch nie auffallen, da ich ihn noch nie leibhaftig erlebt hatte. eine unvergessliche stimme. satt, sinnlich – man denkt sofort an essen, die guten dinge des lebens. dann die beinah ver- schwörerische barfrauen-tonlage von frau engl. das ohne vorwarnung den raum mit vibrieren erfüllende ohmmm von wortschnittchen.
don alphonso, der eine seinen martialischen schreiberton durch- kreuzende einfühlsamkeit in der stimme trägt, war ein bißchen zu schnell vorbei. ich hätte mir den text gerne auf der zunge zergehen lassen.
ich höre einem seltsam vertrauten, ja intime nähe vermittelnden ton bei frau frank zu. den mir als solchen noch nicht bekannten hochtalen- tierten stimmimitatorinnen lyssa, kaltmamsell und (alles but not least) frau schwadroneuse, die meine ganz persönliche neuentdeckung ist. nur herrn bunbury habe ich zu wenig aufmerksamkeit geschenkt. da hat mich wohl djuna gerade abgelenkt.
die stimmen werden mir in erinnerung an diesen abend bleiben. und warme blicke.
05. januar 2006
08. januar 2006

farbpatrone lädt. ich freue mich auf die roeckl-handschuhe.




