06. September 2010


Immer wieder erreichen mich Bitten, in welchen der Wunsch an mich herangetragen wird, Einblicke in mein Heim zu gewähren. Viele Jahre habe ich darüber nachgedacht, wie ich diesem wiederkehrenden Wunsche gerecht werden könnte, ohne meine Privatheit zu gefährden. So dachte ich mir, es wäre an der Zeit, zumindest einen Blick in den Innenhof meines kleinen Serails zu ermöglichen. Die Orangenbäume blühen gerade so herrlich. Der Gärtner korrigiert mich: die Orangenbäume tragen erste Früchte! Ja, so ist es richtig! Ich kann mich natürlich nicht selbst um die Pflege all der herrlichen Gewächse aus dem Orient (meiner Heimat) kümmern. Aber schauen Sie doch selbst. Ich hoffe, dass dieser Einblick ein wenig dem vielfachen Wunsche gerecht werden kann. Ich interessiere mich natürlich auch für Bilder aus Ihrem Heim! Vielleicht haben Sie ja auch eine Vorliebe für diese maurischen Mosaiken, so wie ich! Natürlich gibt es auch einen Springbrunnen und mehrere Wasserbecken, die Sie hier jetzt leider nicht abgebildet sehen. Ich habe diese herrlichen Mosaikarbeiten bei einem Meister seiner Zunft, dem Chefrestaurator der Alhambra in Auftrag gegeben, die sich leider nicht mehr im Familienbesitz befindet. Viel Freude bei dem Rundgang in meinem kleinen Juwel!
http://www.flickr.com/apps/slideshow/show.swf?v=71649
P.S. heute Abend wird mein guter alter Freund Cheb Khaled zu Gast sein und uns seine Weisen vortragen! Er hat mir aus alter Freundschaft erlaubt, eine Aufnahme zur Untermalung der kleinen Bilderschau hier einzustellen:


INSHALLAH

31. August 2010


Ein Eintrag, bevor die Turmuhr schlägt. Ich war doch bei diesem Suhrkamp-Geburtstag im LCB. Wegen Angela Winkler vor allem. Als ich genug Leuchtballons fotografiert hatte und die dunkle Terrasse betrat, sprach mich ein junger Mann mit Namen an. Er guckte irgendwie familiär und ich grübelte, woher wir uns kennen könnten. Weil er ziemlich gut aussah, überlegte ich, ob da vielleicht mal was war, aber wenn, schoss es mir durch den Kopf, würde er mich jetzt sicher nicht so unbefangen anlächeln. Außerdem bin ich aus dem Alter raus, wo man sich nicht mehr an seine Schandtaten erinnert. Ich erinnere mich inzwischen an alles. Mein Gedächtnis ist so gut, dass ich selber manchmal erschrecke und mich frage, ob es sich um eine Art Überfunktion handelt, so wie Schilddrüsenüberfunktion. Ein bißchen mehr Vergessen täte mir in vielerlei Hinsicht bestimmt sehr gut. Na ja. Ich musste kein wirklich schlechtes Gewissen haben, dass ich nicht sofort wusste, woher er mich kannte. Es war nur ein einziger Abend in einer Kreuzberger Kneipe mit ein paar anderen Bloggern vor über drei Jahren, und er saß auch am anderen Ende des Tisches.
Ich erzählte ihm, dass ich hauptsächlich wegen Angela Winkler gekommen sei, weil es diesen roten Faden von Verwechslung und Vergleich gäbe und ich mir selbst ein Bild machen wollte. „Stimmt“ meinte André, „du siehst ihr wirklich ähnlich“. Fand ich zwar immer noch nicht so sehr, aber sympathisch war sie mir schon, soweit ich das von Fotos und Filmausschnitten beurteilen konnte, und wie sie mir da bei meiner Zahnärztin lächelnd entgegengekommen war. Das erste mal war mir ihr Bild auf dem Einband der Taschenbuchausgabe „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ begegnet. Ich war vielleicht dreizehn oder vierzehn. Wir nahmen diesen verfilmten Böll im Deutschunterricht durch und ich fand es eine schöne Hausaufgabe, Romankapitel zu lesen, weil ich sowieso gerne las.
Auch auf der Terrasse wurde gerne gelesen und ich holte mir ein zweites Glas. Irgendein spanischer Rotwein mit ordentlich Tannin. Wir schlenderten Richtung Wintergarten, wo schon ziemliches Gedrängel herrschte. Ich bemerkte beiläufig „Wenn man jetzt unbedingt was aufreißen wollte, wäre schon so einiges dabei.“ Das war eigentlich gar nicht als Kalauer gedacht. Ich fand wirklich, dass eine ungewohnt unüberschaubare Menge an attraktiven Menschen durch die Räume der alten Wannseevilla wimmelte. Christian Brückner saß auf einer Tischkante und ich spürte den Pfeil seiner Energie. Gut sah er aus. Der wird irgendwie auch nicht älter. Attraktive, kultivierte Menschen. Autorenfotos an der Wand. Fotogene Köpfe unter den Suhrkamp-Autoren. Den sehr charismatischen Florian Havemann hab ich leider verpasst, aber Jan hat ihn tagsüber im Sonnenlicht erwischt. Ich war ja, wie schon mehrfach erwähnt, vor allem wegen Frau Winkler da.
Und nun war es also so weit. Ich versuchte mich etwas mehr anzunähern, ohne zu drängeln. Da stand sie, rechts vom Flügel und strahlte wie ein siebzehnjähriges Mädchen. Ich muss dieses klischeehafte Bild bemühen, weil mir einfach kein besseres einfällt. Ich spürte, dass sie gut gelaunt war und möglicherweise ein kleines bißchen betrunken. Was sich aber außerordentlich charmant auswirkte. Aber vielleicht ist sie ja auch immer so. Sie begann den Vortrag mit der Bemerkung, sie wüsste eigentlich gar nicht genau, was sie jetzt machen soll und was von ihr erwartet wird und irgendwo hätte gestanden, dass sie heute Abend Brecht singt, und sie wüsste auch nicht, aber sie singt dann halt einfach mal irgendwas jetzt. Wie sie da so unvorbereitet redete, musste man sie gleich gern haben. Dann hat sie ein sehr sentimentales Chanson der verstorbenen Barbara gesungen. Nicht, dass sie jetzt die umfangreichste Stimme hätte, aber was für eine Hingabe. Ans Herz rührend. Nach dem zweiten Lied fragte sie „gefällt es Ihnen denn ein bißchen?“ Man hatte noch nicht einmal den Eindruck, dass die Frage kokett war, obwohl man es so empfinden musste. Die Herzen flogen wie Rosenblätter in die Ecke mit dem Flügel.
Ich konnte schwer begreifen, dass dieses mädchenhafte Wesen mit dem explosiven Lächeln eines Kobolds eine sechsundsechzigjährige Frau sein sollte. Eine Dame im Seniorenalter. Wenn sie irgendwie gesetzter ausschauen würde, würde man von ihr vielleicht als der ‚großen Mimin‘ oder der ‚Grande Dame‘ des deutschen Theaters reden. Aber das passt hinten und vorne nicht. Man denkt bei solchen Ehrentiteln automatisch an eine gesetztere, robuste Erscheinung. Aber nicht an jemand wie Angela Winkler. Ich war angetan. Mir fällt Magnetismus ein. Eine Spur Romy, nur elektrischer und auch ein bißchen Nico. Aber vor allem Angela Winkler. Erotisierte Heiterkeit erfüllte den Raum. Vor mir stand die Schauspielerin Katja Bienert. Zufällig hatte ich erst zwei Tage zuvor irgendwo im Internet gelesen, dass sie am gleichen Tag wie ich Geburtstag hat. Sie drehte sich plötzlich zu mir um und fragte, ob ich gerne ihren Platz einnehmen wollte, sie hatte meine Kamera gesehen. Wirklich nett. Es war recht dunkel, ich konnte eigentlich nur Bilder machen, die schön sind für mein eigenes Erinnern, ganz furchtbar verrauscht. Aber den Zauber hab ich eingefangen.
http://www.flickr.com/apps/slideshow/show.swf?v=71649
[…]

30. August 2010


Gerade gelesen, dass man Heilerde auch essen kann. Oder trinken. Ich probier das gleich mal. Mein neuestes Hobby ist, mich zu behandeln, obwohl ich nicht krank bin. So zur Vorbeugung! Außerdem will ich austesten, ob man damit so eine Art Turbo-Energie-Beschleunigung auslösen kann. Also die Logik zugrundegelegt: krank, schwach + Heilmittel = gesund, stark. Was ergibt dann gesund + Heilmittel? = Ekstase?!? Ich will das unbedingt wissen.

30. August 2010


Gerade gelesen, dass man Heilerde auch essen kann. Oder trinken. Ich probier das gleich mal. Mein neuestes Hobby ist, mich zu behandeln, obwohl ich nicht krank bin. So zur Vorbeugung! Außerdem will ich austesten, ob man damit so eine Art Turbo-Energie-Beschleunigung auslösen kann. Also die Logik zugrundegelegt: krank, schwach + Heilmittel = gesund, stark. Was ergibt dann gesund + Heilmittel? = Ekstase?!? Ich will das unbedingt wissen.

28. August 2010

An jenem Tag, im blauen Mond September, still unter einem jungen Pflaumenbaum, da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe in meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns, im schönen Sommerhimmel, war eine Wolke, die ich lange sah. Sie war sehr weiß, und ungeheuer oben, und als ich aufsah, war sie nimmer da.
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde, geschwommen still hinunter und vorbei. Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: ich kann mich nicht erinnern. Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst. Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer, ich weiß nur mehr: ich küsste es dereinst.
Und auch den Kuss, ich hätt‘ ihn längst vergessen, wenn nicht die Wolke da gewesen wär. Die weiß ich noch und werd ich immer wissen, sie war sehr weiß und kam von oben her.

Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer, und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind. Doch jene Wolke blühte nur Minuten und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.
(B. Brecht, Erinnerung an die Marie A., 21. Februar 1920)

28. August 2010

[ interessant ]
„Am interessanten von den vieren finde ich die Moses-Illusion. Dachte, als ich das las (ich kannte auch keinen der vier Begriffe), an das Phänomen, wenn man etwas mit großer Selbstverständlichkeit aussagt oder sich betont souverän bewegt, wird die Aussage für bare Münze genommen oder die Souveränität zugestanden. Mir fällt da als Beispiel ein, wie ich einmal auf einem Messegelände keinen Eintritt zahlen wollte und beschloss, betont geschäftig und souverän über den Lieferantenparkplatz durch einen Nebeneingang in die Messehalle zu gehen. Da waren andere Mitarbeiter, die mich sehen konnten. Ich konnte unbehelligt durch die Tür gehen. Da hatte ich deutlich das Gefühl, dass es an der berechnenden Art mich zu bewegen lag, als gehörte ich dazu. Funktioniert sicher nicht immer, aber oft. Warum sollte man auch alles anzweifeln. Deshalb wirkt dieser Moses-Effekt. Man verlässt sich auf die „glaubwürdige Ausstrahlung“ des Vortrags der Aussage, ohne den Inhalt anzuzweifeln. So funktioniert auch die Tagessschau und das Heute-Journal. Die können den größten Mist erzählen, niemand überprüft das, weil diese öffentlich rechtlichen Nachrichten-Kanäle einen Seriositäts-Nimbus haben, den kaum jemand anzweifelt. Von investigativen Internet-News-Channels abgesehen.“

27. August 2010

Ah, das ist ja schon morgen, das Sommerfest im Literarischen Colloquium am Wannsee. Ab Nachmittag kein Regen auf dem Radar! Mal sehen, ob ich schon um drei zu Gregor Gysi gucke. Aber Angela Winkler will ich aus bestimmten Gründen am Abend auf jeden Fall sehen! Der Suhrkamp Verlag feiert seinen sechzigsten Geburtstag. Ich mag diese Villa am Sandwerder sehr. Am Schönsten ist mir das Fest vor fünf Jahren in Erinnerung. Dazu hab ich auch was geschrieben. Damals feierte der Verlag Hoffmann und Campe sein zweihundertfünfundzwanzigjähriges Bestehen. Dagegen ist Suhrkamp ja noch im Strampelanzug, mit seinen sechzig Jährchen. Mal gucken, was ich anziehe.

25. August 2010

Kopf ist voll
heraus platzt der Brei
nun steht es fest:
die Gedanken sind frei
Zu viel von allem!
Erdrückt
von Klängen und Farben,
die durchaus
etwas Beengendes haben
sitze ich hier
und das,
woran ich zu leiden habe
ist eine dämliche
Schreibblockade

Fabian, der Wortpirat
(auch sehr süß: „Mathe ist ein Arschloch“ „(…) Ich war es Leid und viele von euch werden mich verstehen, als ich beschloss die Mathematik zu töten!“)

26. August 2010

Über einen Eintrag in einem befreundeten Bibliotherapie-Blog bin ich soeben darauf gestoßen, dass es in Amerika bereits seit dreißig Jahren ein viel schöneres Wort für Befindlichkeitsbloggen gibt, nämlich Poetry Therapy. Selbst Poesietherapie klingt ansprechender und ist meines Erachtens auch viel besser geeignet, um Respekt, Verständnis und Mitgefühl für den gesamten Vorgang zu wecken. Auch mache ich mir so meine Gedanken, ob es nicht an der Zeit wäre, eine Petition zur Senkung der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge für Blogger bei den hiesigen Krankenversicherungsverbänden einzureichen, da die gar nicht hoch genug anzusetzende finanzielle Entlastung der Solidargemeinschaft durch diese preisgünstige Form der Selbst-Medikation tausender Blogger endlich eine Würdigung erfahren sollte, die sich auch im Portemonnaie bemerkbar macht. Alternativ könnte ich mir einen Zuschuss für die erforderlichen medizinischen Zusatzgeräte- und Vorrichtungen (Flatrate/Notebook/Digitalkamera) vorstellen. Ich denke, da wird sich eine Lösung finden!

⇒ Deutsche Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie.

26. August 2010

Über einen Eintrag in einem befreundeten Bibliotherapie-Blog bin ich soeben darauf gestoßen, dass es in Amerika bereits seit dreißig Jahren ein viel schöneres Wort für Befindlichkeitsbloggen gibt, nämlich Poetry Therapy. Selbst Poesietherapie klingt ansprechender und ist meines Erachtens auch viel besser geeignet, um Respekt, Verständnis und Mitgefühl für den gesamten Vorgang zu wecken. Auch mache ich mir so meine Gedanken, ob es nicht an der Zeit wäre, eine Petition zur Senkung der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge für Blogger bei den hiesigen Krankenversicherungsverbänden einzureichen, da die gar nicht hoch genug anzusetzende finanzielle Entlastung der Solidargemeinschaft durch diese preisgünstige Form der Selbst-Medikation tausender Blogger endlich eine Würdigung erfahren sollte, die sich auch im Portemonnaie bemerkbar macht. Alternativ könnte ich mir einen Zuschuss für die erforderlichen medizinischen Zusatzgeräte- und Vorrichtungen (Flatrate/Notebook/Digitalkamera) vorstellen. Ich denke, da wird sich eine Lösung finden!

⇒ Deutsche Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie.

26. August 2010

PALOMA PICASSO: (…) Ich war ein sehr stilles kleines Mädchen, ich konnte Stunden neben meinem Vater sitzen, während er gearbeitet hat. Nervös bin ich erst geworden, als ich andere seinetwegen die Augen aufreißen sah. Für mich war er einfach mein Vater. Wenn wir ausgingen, bat man ihn überall um Autogramme, es war wie das Leben mit einem Rockstar. Er war sehr zugänglich, man konnte leicht mit ihm ins Gespräch kommen.
VOGUE: Dann mussten auch Sie keine Angst vor ihm haben?
PALOMA PICASSO: Nein, und die meisten Väter würden sich um die schulische Leistung ihrer Kinder Sorgen machen. Ihm war das völlig egal! „Schau mich an“, pflegte er zu sagen, „ich war auch schlecht in der Schule. Mach dir keine Sorgen.“

25. August 2010

Kopf ist voll
heraus platzt der Brei
nun steht es fest:
die Gedanken sind frei
Zu viel von allem!
Erdrückt
von Klängen und Farben,
die durchaus
etwas Beengendes haben
sitze ich hier
und das,
woran ich zu leiden habe
ist eine dämliche
Schreibblockade

Fabian, der Wortpirat
(auch sehr süß: „Mathe ist ein Arschloch“ „(…) Ich war es Leid und viele von euch werden mich verstehen, als ich beschloss die Mathematik zu töten!“)

22. August 2010

Sich selber rufen. Sich bei Lebzeiten nachrufen. Habe Bilder gemacht. Ja ja. Noch mehr. Es gibt so Schübe. Gesundheits-. Bei akuten Gesundheitsschüben manifestieren sich die Symptome in digitalen Bildern. Mein Sein. Was ich sehr mochte mag, gerade zuletzt, war der zwingende Charakter des Privaten, Persönlichen, Fleischlichen, Verletzten, Verlustigen, Liebenden bei Christoph. Da kam es, dass ich ihn nur noch Christoph nannte. So für mich. Vorher war er Schlingensief. Plötzlich war er so nah. Ist. Aber ich wollte dir nicht nachrufen, sondern mir selbst.

Ich nahm das Notebook mit auf den Balkon, sah schnell, dass das Licht zu gleißend war, um noch irgendeinen Kontrast zu erkennen. Auch mit Sonnenbrille kaum. Musik an. Klappe zu. Ich holte das Vogue-Heft, das ich zum Warten auf Frida gekauft hatte und legte es schützend auf den kleinen Rechner. Das Heft bedeckte gerade so das silbergraue Rechteck. So wird es die Hitze besser aushalten. Ich war zu faul, das Notebook mit den kleinen Lautsprechern wieder ins Zimmer zu räumen. Kaffee. Immer wieder Kaffee. Und Wasser. Gestern war das. Ich blätterte in dem wenig gelesenen Heft, las ein bißchen. Ganz schöne Sachen. In einer Fotostrecke entdeckte ich ein mir bekanntes Gesicht und dachte komisch, jemanden auf einem großen Foto in der Vogue zu finden, mit dem ich neulich einen trinken war. Die Bindung* löste sich auf.

Es gab zwei Bücher auf dem Balkon. Just kids, das ich gerade fertig gelesen hatte und noch einmal begann. Was ich noch nie tat. Ich habe noch niemals ein Buch gelesen, zugeklappt, und ein paar Stunden später wieder von vorne angefangen, als wäre es ganz neu. Obwohl – vielleicht hab ich das als Kind mit meinen Petzi-Büchern gemacht. Das kann schon sein. Ich hab hundert mal dieselben Bilderbücher angeschaut und gelesen. Weil ich mich immer wieder über bestimmte Bilder und Stellen freuen wollte. Das hat prima geklappt. Pattis Buch rührte mich von der ersten Seite. Petzi und Patti klingt ja auch ein bißchen ähnlich. Und jetzt, wo ich weiß, wie die Geschichte war, will ich sie noch einmal lesen. Mit dem Wissen um alles. So, wie sie es mit jenem Wissen schrieb. Den vielen kleinen und großen Bildern und déjà vus noch einmal nachspüren, die sie auf die Seiten wirft. Aus der Zeit. Aus Zeiten. Zurückholt, noch einmal leben lässt. Und wieder. Und wieder. And again. And again. And again. … play it again Sam…

Und ein Bilderbuch. Ich hab es schon ein paar mal durchgeblättert. Es ist wie ein Film. Das sieht man ja auf den Fotos, auf meinen. Es war ein schöner Sommerferientag, gestern in Berlin. Ich stand auf, um die Kamera in den Schatten zu legen und erhaschte mein Bild, das mich in der Scheibe reflektierte. So entstehen meine Bilder eigentlich immer. Ich habe das schon manchmal befreundeten Bloggern erzählt. Ich lebe sozusagen so vor mich hin und sehe plötzlich einen Ausschnitt meines Daseins, der mir wie ein Foto vorkommt. Und dann hole ich die Kamera und drücke einfach drauf. Auf das Gelebte. Erlebte. Das kleine große Stück Leben. Es ist ganz einfach. Man muss sich ein bißchen bemühen, es sich möglichst schön zu machen. So schön, dass man die Kamera drauf halten will. Klingt irgendwie total einfach, jetzt wo ich es lese.

Es gibt aber ein paar Sachen, von denen man denkt, man hat keinen Einfluss darauf, ob sie schön oder nicht schön verlaufen. Darüber denke ich viel nach. Wenn ich es rausgekriegt habe, erfahrt ihr es als Erste. Obwohl ich schon eine diffuse Ahnung habe. Von der möglichen schönen Kraft von Wut. Und Trauer. Widerständen, Kräfte messen. Scheitern aber schön. Scheitern als Chance hieß der Slogan von Schingensiefs Aktion (da war er noch Schlingensief), fällt mir gerade ein. To Walk in Beauty versuchen empfehlen sagen predigen die Navajo, always. Also always to walk in beauty. Das ist mir schon nah. Das ist mir nicht fern. Der Wunsch. Dieses Begehr. Ja, das hat schon eine gewisse Poesie. Ich versuche herauszufinden, wie man das negativ Besetzte in ein schönes Universum integrieren kann. Vielleicht geht es gar nicht darum, das vermeintlich Negative zu ächten und zu geißeln, sondern nur den Platz zu identifizieren, an den es gehört, damit es seine Kraft so entfalten kann, dass man der Schönheit gewahr werden kann. Schönheit der Aggression. Schönheit der Wut. Schönheit der Rebellion. Schönheit aufbegehrender, feuriger, transformativer Kräfte. Also geht es um Transformation oder um Ausrichtung. Man kann auf Lava-Gestein sehr gut ein Steak grillen. Ein Lavafluss leuchtet auch sehr schön. Nur die Koexistenz mit anderen Lebensformen gestaltet sich für Lava etwas schwierig. Man muss so einem Lavafluss viel Platz einräumen und ihm im Zweifel aus dem Weg gehen. So ein Lavafluss hat es eigentlich sehr gut. Er muss sich nichts sagen lassen. Keiner versucht, belehrend auf ihn einzuwirken. Ich bin ein bißchen neidisch.

Bilder also. Meine Freundin Nanou entdeckte sie schon heute Nachmittag irgendwann. Ich lade ja ganze Strecken hoch und verlinke immer erst, wenn ich etwas dazu schreibe. Aber sie wurde vorher darauf aufmerksam, weil sie dieses Bild in dem Kommentar entdeckte und ahnte, dass sich mehr Bilder dahinter verstecken. Später telefonierten wir und ich merkte etwas zu einem anderen Bild an, das Frida zeigt, wie sie offenbar lacht, aber die Hand schützend vor den Mund hält. So interpretiere ich das Bild, nicht wie der Verfasser der Bildunterschrift „Frida Kahlo machte ein obszöne Geste“. So ein Quatsch. Frida hatte große Hemmungen, ihre Zähne zu zeigen, weil die nicht das Beste an ihr waren. Es kann auch sein, dass sie eine Zahnlücke in der Mitte hatte, es gibt ein einziges Bild, wo man das ahnen kann. Sie hat immer darauf geachtet, den Mund geschlossen zu halten, weil sie sich so geniert hat. Von wegen obszöne Geste. Dummes Zeug. Ich hatte auch einen Minderwertigkeitskomplex (nicht nur einen) als Kind. Unter anderem wegen meiner Zahnlücke. Irgendwann wurde ich nicht mehr gehänselt deswegen und hab den Komplex einfach vergessen. In den letzten Jahren haben sich sogar zwei ausgewiesene Liebhaber meiner Zahnlücke gefunden. Einer hat sich sogar schon beschwert, dass sie kleiner geworden wäre und ich dringend zum Zahnarzt müsste, um dem womöglich drohenden Schwinden der Lücke Einhalt zu gebieten. Ich glaube, ich muss schlafen gehen. Ich schreibe schon ganz schwafeliges Zeug, dabei wollte ich nur ein bißchen Text haben, wenn ich die Bilder hier reinklebe. Ober- und unterhalb. Also fertig.
http://www.flickr.com/apps/slideshow/show.swf?v=71649
[ alle Bilder ]
*) des Heftes

22. August 2010

Sich selber rufen. Sich bei Lebzeiten nachrufen. Habe Bilder gemacht. Ja ja. Noch mehr. Es gibt so Schübe. Gesundheits-. Bei akuten Gesundheitsschüben manifestieren sich die Symptome in digitalen Bildern. Mein Sein. Was ich sehr mochte mag, gerade zuletzt, war der zwingende Charakter des Privaten, Persönlichen, Fleischlichen, Verletzten, Verlustigen, Liebenden bei Christoph. Da kam es, dass ich ihn nur noch Christoph nannte. So für mich. Vorher war er Schlingensief. Plötzlich war er so nah. Ist. Aber ich wollte dir nicht nachrufen, sondern mir selbst.

Ich nahm das Notebook mit auf den Balkon, sah schnell, dass das Licht zu gleißend war, um noch irgendeinen Kontrast zu erkennen. Auch mit Sonnenbrille kaum. Musik an. Klappe zu. Ich holte das Vogue-Heft, das ich zum Warten auf Frida gekauft hatte und legte es schützend auf den kleinen Rechner. Das Heft bedeckte gerade so das silbergraue Rechteck. So wird es die Hitze besser aushalten. Ich war zu faul, das Notebook mit den kleinen Lautsprechern wieder ins Zimmer zu räumen. Kaffee. Immer wieder Kaffee. Und Wasser. Gestern war das. Ich blätterte in dem wenig gelesenen Heft, las ein bißchen. Ganz schöne Sachen. In einer Fotostrecke entdeckte ich ein mir bekanntes Gesicht und dachte komisch, jemanden auf einem großen Foto in der Vogue zu finden, mit dem ich neulich einen trinken war. Die Bindung* löste sich auf.

Es gab zwei Bücher auf dem Balkon. Just kids, das ich gerade fertig gelesen hatte und noch einmal begann. Was ich noch nie tat. Ich habe noch niemals ein Buch gelesen, zugeklappt, und ein paar Stunden später wieder von vorne angefangen, als wäre es ganz neu. Obwohl – vielleicht hab ich das als Kind mit meinen Petzi-Büchern gemacht. Das kann schon sein. Ich hab hundert mal dieselben Bilderbücher angeschaut und gelesen. Weil ich mich immer wieder über bestimmte Bilder und Stellen freuen wollte. Das hat prima geklappt. Pattis Buch rührte mich von der ersten Seite. Petzi und Patti klingt ja auch ein bißchen ähnlich. Und jetzt, wo ich weiß, wie die Geschichte war, will ich sie noch einmal lesen. Mit dem Wissen um alles. So, wie sie es mit jenem Wissen schrieb. Den vielen kleinen und großen Bildern und déjà vus noch einmal nachspüren, die sie auf die Seiten wirft. Aus der Zeit. Aus Zeiten. Zurückholt, noch einmal leben lässt. Und wieder. Und wieder. And again. And again. And again. … play it again Sam…

Und ein Bilderbuch. Ich hab es schon ein paar mal durchgeblättert. Es ist wie ein Film. Das sieht man ja auf den Fotos, auf meinen. Es war ein schöner Sommerferientag, gestern in Berlin. Ich stand auf, um die Kamera in den Schatten zu legen und erhaschte mein Bild, das mich in der Scheibe reflektierte. So entstehen meine Bilder eigentlich immer. Ich habe das schon manchmal befreundeten Bloggern erzählt. Ich lebe sozusagen so vor mich hin und sehe plötzlich einen Ausschnitt meines Daseins, der mir wie ein Foto vorkommt. Und dann hole ich die Kamera und drücke einfach drauf. Auf das Gelebte. Erlebte. Das kleine große Stück Leben. Es ist ganz einfach. Man muss sich ein bißchen bemühen, es sich möglichst schön zu machen. So schön, dass man die Kamera drauf halten will. Klingt irgendwie total einfach, jetzt wo ich es lese.

Es gibt aber ein paar Sachen, von denen man denkt, man hat keinen Einfluss darauf, ob sie schön oder nicht schön verlaufen. Darüber denke ich viel nach. Wenn ich es rausgekriegt habe, erfahrt ihr es als Erste. Obwohl ich schon eine diffuse Ahnung habe. Von der möglichen schönen Kraft von Wut. Und Trauer. Widerständen, Kräfte messen. Scheitern aber schön. Scheitern als Chance hieß der Slogan von Schingensiefs Aktion (da war er noch Schlingensief), fällt mir gerade ein. To Walk in Beauty versuchen empfehlen sagen predigen die Navajo, always. Also always to walk in beauty. Das ist mir schon nah. Das ist mir nicht fern. Der Wunsch. Dieses Begehr. Ja, das hat schon eine gewisse Poesie. Ich versuche herauszufinden, wie man das negativ Besetzte in ein schönes Universum integrieren kann. Vielleicht geht es gar nicht darum, das vermeintlich Negative zu ächten und zu geißeln, sondern nur den Platz zu identifizieren, an den es gehört, damit es seine Kraft so entfalten kann, dass man der Schönheit gewahr werden kann. Schönheit der Aggression. Schönheit der Wut. Schönheit der Rebellion. Schönheit aufbegehrender, feuriger, transformativer Kräfte. Also geht es um Transformation oder um Ausrichtung. Man kann auf Lava-Gestein sehr gut ein Steak grillen. Ein Lavafluss leuchtet auch sehr schön. Nur die Koexistenz mit anderen Lebensformen gestaltet sich für Lava etwas schwierig. Man muss so einem Lavafluss viel Platz einräumen und ihm im Zweifel aus dem Weg gehen. So ein Lavafluss hat es eigentlich sehr gut. Er muss sich nichts sagen lassen. Keiner versucht, belehrend auf ihn einzuwirken. Ich bin ein bißchen neidisch.

Bilder also. Meine Freundin Nanou entdeckte sie schon heute Nachmittag irgendwann. Ich lade ja ganze Strecken hoch und verlinke immer erst, wenn ich etwas dazu schreibe. Aber sie wurde vorher darauf aufmerksam, weil sie dieses Bild in dem Kommentar entdeckte und ahnte, dass sich mehr Bilder dahinter verstecken. Später telefonierten wir und ich merkte etwas zu einem anderen Bild an, das Frida zeigt, wie sie offenbar lacht, aber die Hand schützend vor den Mund hält. So interpretiere ich das Bild, nicht wie der Verfasser der Bildunterschrift „Frida Kahlo machte ein obszöne Geste“. So ein Quatsch. Frida hatte große Hemmungen, ihre Zähne zu zeigen, weil die nicht das Beste an ihr waren. Es kann auch sein, dass sie eine Zahnlücke in der Mitte hatte, es gibt ein einziges Bild, wo man das ahnen kann. Sie hat immer darauf geachtet, den Mund geschlossen zu halten, weil sie sich so geniert hat. Von wegen obszöne Geste. Dummes Zeug. Ich hatte auch einen Minderwertigkeitskomplex (nicht nur einen) als Kind. Unter anderem wegen meiner Zahnlücke. Irgendwann wurde ich nicht mehr gehänselt deswegen und hab den Komplex einfach vergessen. In den letzten Jahren haben sich sogar zwei ausgewiesene Liebhaber meiner Zahnlücke gefunden. Einer hat sich sogar schon beschwert, dass sie kleiner geworden wäre und ich dringend zum Zahnarzt müsste, um dem womöglich drohenden Schwinden der Lücke Einhalt zu gebieten. Ich glaube, ich muss schlafen gehen. Ich schreibe schon ganz schwafeliges Zeug, dabei wollte ich nur ein bißchen Text haben, wenn ich die Bilder hier reinklebe. Ober- und unterhalb. Also fertig.
http://www.flickr.com/apps/slideshow/show.swf?v=71649
[ alle Bilder ]
*) des Heftes

21. August 2010

(…= ) nicht tot. So ein Quatsch. Dass die Zeitungen immer lügen müssen. Genauso mit Rio und John Lennon und Bob Marley. Von Jimi Hendrix gar nicht zu reden. Oder Marilyn. Oder die Elvis-Lüge. Die Zeitungen hängen mir zum Hals heraus. Christoph sieht das ganz bestimmt genauso wie ich und zwinkert lustig dazu. Außerdem hat er oft genug betont, dass er keinen Bock auf Himmel hat. Schon alleine deswegen ist Christoph Schlingensief nie und nimmer tot. Bitte glaubt nicht, was in der Zeitung steht. Bin ich froh!

19. August 2010


»(…) An einem Tag im Spätsommer zogen wir uns unsere Lieblingssachen an (…) Wir fuhren mit der U-Bahn zur West Fourth Street und verbrachten den Nachmittag am Washington Square. Wir teilten uns Kaffee aus einer Thermoskanne und beobachteten die Ströme von Touristen, Kiffern und Folksängern. Glühende Revolutionäre verteilten Flugblätter gegen den Krieg. Schachspieler zogen ihr eigenes Publikum an. Es war ein friedliches Nebeneinander, gebettet auf einen Klangteppich aus Tiraden, Bongos und Hundegebell. Wir gingen gerade auf den Springbrunnen zu, das Epizentrum aller Aktivität, als ein älteres Paar stehen blieb und uns unverholen angaffte. Robert freute sich, dass er Aufmerksamkeit erregte, und drückte liebevoll meine Hand.
„Oh, take their picture,“ said a woman to her husband, eyeing the young couple. „I think they’re artists. They might be somebody someday.“ Her husband shrugged. „They’re just kids.“«
Patti Smith, Just Kids, S. 62, dt. Übers. Clara Drechsler u. Harald Hellmann


I was a wing
in heaven blue
soared over the ocean
soared over Spain
and I was free
I needed nobody
it was beautiful
it was beautiful
I was a pawn
didn’t make a move
didn’t have nowhere
that I could go
but I was free
I needed nobody
it was beautiful
it was beautiful
and if there’s one thing
could do for you
you’d be a wing
in heaven blue
I was a vision
in another eye
and they saw nothing
no future at all
yet I was free
I needed nobody
it was beautiful
it was beautiful
and if there’s one thing
could do for you
you’d be a wing
in heaven blue
and if there’s one thing
could do for you
you’d be a wing
in heaven blue
and if there’s one thing
could do for you
you’d be a wing
in heaven blue
Patti Smith
[…]

17. August 2010

http://vimeo.com/moogaloop.swf?clip_id=76780922&color=55514e&server=0&title=0&byline=0&portrait=0&fullscreen=1&autoplay=0&loop=0
►watch on youtube
Frau Nielsen räumt auf und findet in ihrem Filmarchiv eine historische Aufnahme aus dem Jahre 2009. Genauer gesagt, vom 27. April 2009. Ein erster zaghafter Versuch, sich dem Tonfilm anzunähern. Kästner hatte gerade sein 1928 entstandenes Gedicht vom gar herrlichen Jardin du Luxembourg verfasst und es mir im Café Größenwahn in die Hand gedrückt. Oder war es in der Weltlaterne? Ach, ich weiß es einfach nicht mehr! Aber bevor ich die Aufnahme mit der Tonfilm-Übung wegwerfe, kann ich sie genauso gut veröffentlichen. Wir habe alle einmal klein angefangen, auch wenn wir auf noch so glorreiche Zeiten der Ära des Stummfilms zurückblicken können. Im Anschluss sehen Sie in gewohnter Manier noch ein paar klassische Bilder des Nielsen’schen Stummfilm-Œuvres, mit dem üblichen Klaviergeklimper. Kritiker werfen mir ja immer wieder einen Hang zur Verklärung vor, auch von Kitsch wird sicher wieder hie und da die Rede sein, doch mir ist nur wichtig, dass es meinem treuen Publikum gefällt! Viel Freude dabei!
Ach ja, P.S. die Telephonszene entstand bei einem Original-Telephonat über Fernsprecher mit meiner alten Freundin Nanou, mit der ich schon seit meinen frühesten Stummfilmtagen innig befreundet bin. Deswegen habe ich entschieden, Opus 48 ihr zu widmen, zumal sie den Park viel besser kennt als ich. Ich war ja nur einmal da…! Wann war das gleich… 1925? Ach, Kinder wie die Zeit vergeht!

17. August 2010

http://vimeo.com/moogaloop.swf?clip_id=76780922&color=55514e&server=0&title=0&byline=0&portrait=0&fullscreen=1&autoplay=0&loop=0
►watch on youtube
Frau Nielsen räumt auf und findet in ihrem Filmarchiv eine historische Aufnahme aus dem Jahre 2009. Genauer gesagt, vom 27. April 2009. Ein erster zaghafter Versuch, sich dem Tonfilm anzunähern. Kästner hatte gerade sein 1928 entstandenes Gedicht vom gar herrlichen Jardin du Luxembourg verfasst und es mir im Café Größenwahn in die Hand gedrückt. Oder war es in der Weltlaterne? Ach, ich weiß es einfach nicht mehr! Aber bevor ich die Aufnahme mit der Tonfilm-Übung wegwerfe, kann ich sie genauso gut veröffentlichen. Wir habe alle einmal klein angefangen, auch wenn wir auf noch so glorreiche Zeiten der Ära des Stummfilms zurückblicken können. Im Anschluss sehen Sie in gewohnter Manier noch ein paar klassische Bilder des Nielsen’schen Stummfilm-Œuvres, mit dem üblichen Klaviergeklimper. Kritiker werfen mir ja immer wieder einen Hang zur Verklärung vor, auch von Kitsch wird sicher wieder hie und da die Rede sein, doch mir ist nur wichtig, dass es meinem treuen Publikum gefällt! Viel Freude dabei!
Ach ja, P.S. die Telephonszene entstand bei einem Original-Telephonat über Fernsprecher mit meiner alten Freundin Nanou, mit der ich schon seit meinen frühesten Stummfilmtagen innig befreundet bin. Deswegen habe ich entschieden, Opus 48 ihr zu widmen, zumal sie den Park viel besser kennt als ich. Ich war ja nur einmal da…! Wann war das gleich… 1925? Ach, Kinder wie die Zeit vergeht!

15. August 2010

(…) Aber es tut nicht weniger weh oder mehr gut, wenn man es in die Welt schrei(b)t. ist nur anders festgehalten. Manifest(er). Für’s Erinnern. Ich hab gerade zurückgeblättert, vor einem, zwei, drei, vier, fünf, sechs Jahren… man kann sich deutlicher erinnern, die Bilder kommen dichter zurück und damit die Gefühle… das ist manchmal gut und manchmal schmerzhaft(-schön).“

10. August 2010



I was five and he was six. We rode on horses made of sticks. He wore black and I wore white. He would always win the fight.
Bang bang, he shot me down
Bang bang, I hit the ground
Bang bang, that awful sound
BANG BANG
my baby shot me down.
Seasons came and changed the time. When I grew up, I called him mine. He would always laugh and say „Remember when we used to play?“
Bang bang, I shot you down
Bang bang, you hit the ground
Bang bang, that awful sound
BANG BANG
I used to shoot you down.
Music played, and people sang. Just for me, the church bells rang.
Now he’s gone, I don’t know why. And till this day, sometimes I cry. He didn’t even say goodbye. He didn’t take the time to lie.
Bang bang, he shot me down
Bang bang, I hit the ground
Bang bang, that awful sound
BANG BANG
my baby shot me down.

Song written by Sonny Bono; voc. Nancy Sinatra

12. August 2010


Lustig und ernst. Telefonat mit Jan. Vorhin. Provozierend, nicht beruhigend, wenn er so investigativ fragt. Wenn man an sich selbst plötzlich so bewusst wahrnimmt, wo man meint, sich abgrenzen zu müssen. Das ist interessant. Oder sich verteidigt, die Grenzen, die man zieht, verteidigt. Und warum. Es ging vor allem um Familiengeschichte. Meine. Die Ängste der Elterngeneration. Das mit Strenge ummäntelte Schutzbedürfnis meiner Eltern uns beiden Kindern gegenüber, das zu Enge wurde, den Freiheitsdrang anstachelte. Die Gegenkraft auf den Plan rief. Was man vorgelebt bekam, was man nicht wollte, später für sich selbst, wenn man erwachsen wäre. Ich. Man ist natürlich immer ich.

Aber davor. Und das ist jetzt wieder mein schlenkerpuppenhaftes Schreiben, meine Gedanken- und Gefühlssprünge, chronologisch chaotisch. Die Frage nach meinem Befinden beantworte ich mit „kann man alles in meinem Blog lesen…“ „Aber ich will es lieber von dir hören“. Zaghaftes Nachhaken, zaghafte Verweigerung. Ich lenke ein bißchen ab, auf meinen Frida-Eintrag. Jan ist schließlich kunstaffin, haha. Nun interessiere dich doch mal ein bißchen! Warst ja auch nicht drin, in der Ausstellung.

Wir telefonieren also, ich trinke Bordeaux und er blättert währenddessen zu meinem Blog und fängt launig an, den Frida-Eintrag vom ersten bis zum letzten Satz vorzulesen. Aber vollendet. Ich durfte ja schon so mancher Blog-Lesung beiwohnen, die mich auch an der Sinnhaftigkeit des Konzeptes zweifeln ließ. Aber das gerade eben. Theatralische Übertreibung an der richtigen Stelle, als hätte er den Text schon mindestens fünfmal gelesen. An Stellen, die mir so gar nicht in den Sinn gekommen wären. Teilweise kommen mir die Sätze eitel vor. Dann wieder putzig. Das sollen sie natürlich auch, Jan liest sie extra so. Wo ich Kennerschaft durchblicken lasse, verfällt er in französischen Akzent, damit die ganze Raffinesse meiner verfeinerten Kunstsinnigkeit noch besser zum Ausdruck kommt. Ich kann seine affige Schnute durchs Telefon sehen. Auch versäumt er nicht, korrigierende Einschübe einzuflechten, wichtige Ergänzungen, Sätze, die ich eben ganz offensichtlich vergessen habe. Großes Kino. Das waren gerade ein paar sehr schöne Stunden mit dir am Telefon. Und auch das sehr Ernste danach.

Heute mal früher ins Bett. Aber erst noch ein Gute Nacht-Schluck. Müde bin ich geh zur Ruh, schließe meine Äuglein zu. Santé.

12. August 2010

Hab mir gerade gedacht, Donner und Doria wären eigentlich auch hübsche Namen für ein Geschwisterpärchen. Donner ist doch ein saucooler Name für einen Jungen. Kommt ja von dem schönen altgermanischen Donar. Aber Donner klingt viel besser. Vehementer! Doria, als kleine Schwester muss dann immer ein bißchen ausgleichen, wenn Donner wieder der Rappel packt. Donner lässt sich nur von Doria was sagen. Von sonst niemandem. Das ist natürlich klischeehaft, das ruhigere, ausgleichende Mädchen. Aber egal. Das liegt nun mal am Namen. Aber Doria lässt sich die Butter auch nicht vom Brot nehmen. Sie ist Donner ebenbürtig. Sie ist nur nicht so rumpelig wie er, der kleine Erdendonner. Donner ist eben ein kleiner Rocker! Und sein bester Freund heißt Blitz. Wenn die beiden um die Häuser ziehen, bleibt kein Auge trocken!

10. August 2010



I was five and he was six. We rode on horses made of sticks. He wore black and I wore white. He would always win the fight.
Bang bang, he shot me down
Bang bang, I hit the ground
Bang bang, that awful sound
BANG BANG
my baby shot me down.
Seasons came and changed the time. When I grew up, I called him mine. He would always laugh and say „Remember when we used to play?“
Bang bang, I shot you down
Bang bang, you hit the ground
Bang bang, that awful sound
BANG BANG
I used to shoot you down.
Music played, and people sang. Just for me, the church bells rang.
Now he’s gone, I don’t know why. And till this day, sometimes I cry. He didn’t even say goodbye. He didn’t take the time to lie.
Bang bang, he shot me down
Bang bang, I hit the ground
Bang bang, that awful sound
BANG BANG
my baby shot me down.

Song written by Sonny Bono; voc. Nancy Sinatra

08. August 2010

Rio forever


Wo bin ich, bin ich in Liebe,
wo bin ich, bin ich schon da?
Wo bin ich, bin ich auf Sternen,
Wann bin ich, bin ich schon da?
Du bist in mir, tief tief in mir.
Wo bist du, bist du in Liebe,
wo bist du, bist du schon da?
Wo bist du, bist du in aus Sternen,
wann bist du, bist du schon da?
Ich bin in dir, tief tief in dir.
Wo sind wir, sind wir in Liebe,
wo sind wir, sind wir schon da?
Wo sind wir, sind wir zwei Engel,
wann sind wir, sind wir schon da?
Du bist in mir, tief tief in mir.
Ich bin in dir, tief tief in dir.
(RIO)

08. August 2010

Rio forever


Wo bin ich, bin ich in Liebe,
wo bin ich, bin ich schon da?
Wo bin ich, bin ich auf Sternen,
Wann bin ich, bin ich schon da?
Du bist in mir, tief tief in mir.
Wo bist du, bist du in Liebe,
wo bist du, bist du schon da?
Wo bist du, bist du in aus Sternen,
wann bist du, bist du schon da?
Ich bin in dir, tief tief in dir.
Wo sind wir, sind wir in Liebe,
wo sind wir, sind wir schon da?
Wo sind wir, sind wir zwei Engel,
wann sind wir, sind wir schon da?
Du bist in mir, tief tief in mir.
Ich bin in dir, tief tief in dir.
(RIO)

08. August 2010


[ Auszug fb-Kommentar von mir auf der Wall der sehr geschätzten Tina …): ]
„(…) ich hatte jenen Bildband von ihr (L. Riefenstahl) Mitte der Achtziger aus einer Stadtbücherei geliehen und wollte ihn ungern zurückgeben. Er war zu dem Zeitpunkt nur antiquarisch erhältlich, es gab kein Internet, das zu recherchieren und ich hatte eh kein Geld, so nahm ich in Kauf, irgendwann viel später eine irrwitzige Summe für Entleihungs-Überziehungs-Gebühren zu entrichten. Daran dachte ich natürlich keine Sekunde, so lange ich den Bildband bei mir hatte. Er war schon gefühlt meiner, aber dann kamen doch sehr ermahnende Briefe der Berliner Amerika-Gedenk-Bibliothek. Tja… Dieser Bildband hat mich wahnsinnig inspiriert, bis heute. Es gibt ein auf Eis liegendes Filmprojekt mit Cosmic, das davon inspiriert ist. Er versteht das auch. Diese Schlagschatten, die starken Kontraste, das Archaische…“

07. August 2010

http://www.flickr.com/apps/slideshow/show.swf?v=71649

[ related entry ]
Normalerweise versuche ich etwas zu schreiben, das sich nachvollziehbar auf die Bilder bezieht. Aber Bilder sprechen ja auch. Manchmal erzählen sie auch eine Geschichte, die man selbst anders erinnert. Und am Ende aller Tage (ca. 2057), wenn dieser hochauflösende, riesige Flat Screen Monitor im Museum für Kommunikation hängen wird ( 3 x 4 m), und siebenundvierzig Jahre Blogeinträge von Gaga Nielsen zeigen wird, dann werden alle für immer glauben, das mein Leben eine Aneinanderreihung wundersamer, poetischer Augenblicke war. Und beinah ist es wahr.

Eigentlich ja. Und das andere, das wird einfach gelöscht. Im Gedächtnis. Im Herz. Und auf allen Festplatten.

03. August 2010


16. Juli 2010. Ich weiß immer noch nicht, ob es Haselnussbrand oder Haselnussgeist ist. Aber man muss ihn unbedingt probieren. Balkon, Animalprint-Fähnchen. Jam & Spoon, Silly, Erinnert. Das Teehaus, in dem kein guter Platz frei ist, der schöne Hofgarten voll besetzt. Kein Wunder. So ein schöner Sommerabend. Eine Weile sitzen wir, unentschieden, weil das Essen so gut ist da. Glücklicherweise kommt ewig keiner, um wenigstens die Getränkebestellung entgegenzunehmen. Erleichtertes Aufstehen. Guten Gewissens doch weiter. Das Licht war auch so seltsam, da in dem Durchgang, eine grelle Funzel, die geisterhaft grün aus dem Bambus leuchtete. Mir fällt das Pan Asia ein. So schön hatte ich das gar nicht in Erinnerung. Eine große Holztreppe im Hof, wie ineinandergeschobene Podeste, darauf prall gefüllte große Bodenkissen aus Leinen, in weiß und pink. Kleine Windlichter auf niedrigen Tischen. Schön ist das. Wie Ferien. In dieser Stadt kann man Urlaub machen. Ich spüre, was für ein Luxus es ist, in dieser Ecke der Stadt, des Landes, des Erdteils, der Erde zu leben. Mir wird ganz demütig. Der Kellner ist genauso nett wie er attraktiv aussieht. Normalerweise ist immer irgendwas, über das man hinwegsieht. Aber dieser szenige Typ ist charismatisch, charmant, ein bißchen flirty und sehr zuvorkommend. Und das Essen ganz und gar wie ich es mag. Mit frischen Zutaten, alles hat noch Biss, die zarten Zuckerschoten… Kein versupptes Geschwurbel. Eiskalter Chardonnay.
Ich weiß nicht mehr genau, worüber wir sprachen, aber ich holte nach dem zweiten Glas weit aus. Sagte Sachen wie, dass ich mir als Kind, als Mädchen, nie vorgestellt, erträumt habe eine Familie zu gründen, Mit Kind und Mann und Haus und Hof. Ich dachte eher, das wäre ein unheilvolles Schwert, das jede Frau früher oder später ereilt. (Das hab ich nicht gesagt, das fällt mir nur jetzt wieder ein). Ich hab von etwas ganz anderem geträumt. Ich wollte unbedingt frei sein. Frei von Bindungen an Menschen, die mir irgendetwas diktieren könnten, mich vereinnahmen würden, in einem vorstrukturierten Leben, dessen weiterer Verlauf das Potenzial an Unwägbarkeit verloren hat. (Das hab ich auch nicht gesagt, das schreib ich jetzt nur). Aber ich hab mich an einen Platz geträumt, als erwachsene Frau gesehen, die in einem Adlerhorst lebt, über den Dächern einer Stadt, einer Metropole. Die niemandem Rechenschaft schuldig ist. Es ist wahr geworden. Ich lebe in einem Adlerhorst über den Dächern der Stadt. Der schönsten Stadt, die ich kenne, in der meine Sprache gesprochen wird. Ich bin dankbar. Ja, schon wieder. Ich bin überhaupt in letzter Zeit ganz oft dankbar. Ganz ungeplant. Ohne Vorsatz. Ich weiß nicht, ob man sich sein Schicksal erarbeitet. Das wissen die Götter. Meines ist schon sehr seltsam. Sie haben mir auf jeden Fall einen sehr eigenwilligen und sehr mäandernden Weg zugedacht, für den man auch viel Kraft braucht. Innerlich. Innere Stärke. Widerstandskraft. Was so leicht aussieht, von Außen, ist das Ergebnis von Arbeit. An mir selbst. Da ist ein großer Aufruhr in mir. Kräfte sind am Werk, die mich von einem Pol zum anderen ziehen. Ich versuche ein inneres Ideal eines schöneren Ichs zu bewahren, zu behüten. Die Schönheit kommt nicht von Außen abhanden. Von innen. Das ist die einzige Gefahr. Aber so lange man einem Menschen ansieht, dass er darum kämpft, den guten Geist zu bewahren, gibt es diese Spur im Gesicht. Diesen Silberstreifen. So ein zartes Glitzern. Etwas Filigranes. Die Schönheit eines schüchternen Gebets.

04. August 2010

Ist jetzt mehr so privat von Freundin zu Freundin. Aber wenn man nach beendetem Gespräch fünf Minuten später noch einmal angerufen wird, mit der Mitteilung, sie hätte etwas Wichtiges (!) vergessen. Und das Wichtige ist dann, dass sie dieses Bild mit der Schildkröte entzückend findet und mir das unbedingt sagen will. Und sie mir dann auch noch zutraut, ich hätte das in meinem fortgeschrittenen Alter zustandebracht. Worauf ich maßlos stolz wäre, was aber leider nicht der Fall ist. Dann also dann, ja dann ist das schon einen kleinen persönlich gewidmeteten Blogeintrag wert.

04. August 2010

Ist jetzt mehr so privat von Freundin zu Freundin. Aber wenn man nach beendetem Gespräch fünf Minuten später noch einmal angerufen wird, mit der Mitteilung, sie hätte etwas Wichtiges (!) vergessen. Und das Wichtige ist dann, dass sie dieses Bild mit der Schildkröte entzückend findet und mir das unbedingt sagen will. Und sie mir dann auch noch zutraut, ich hätte das in meinem fortgeschrittenen Alter zustandebracht. Worauf ich maßlos stolz wäre, was aber leider nicht der Fall ist. Dann also dann, ja dann ist das schon einen kleinen persönlich gewidmeteten Blogeintrag wert.

03. August 2010


16. Juli 2010. Ich weiß immer noch nicht, ob es Haselnussbrand oder Haselnussgeist ist. Aber man muss ihn unbedingt probieren. Balkon, Animalprint-Fähnchen. Jam & Spoon, Silly, Erinnert. Das Teehaus, in dem kein guter Platz frei ist, der schöne Hofgarten voll besetzt. Kein Wunder. So ein schöner Sommerabend. Eine Weile sitzen wir, unentschieden, weil das Essen so gut ist da. Glücklicherweise kommt ewig keiner, um wenigstens die Getränkebestellung entgegenzunehmen. Erleichtertes Aufstehen. Guten Gewissens doch weiter. Das Licht war auch so seltsam, da in dem Durchgang, eine grelle Funzel, die geisterhaft grün aus dem Bambus leuchtete. Mir fällt das Pan Asia ein. So schön hatte ich das gar nicht in Erinnerung. Eine große Holztreppe im Hof, wie ineinandergeschobene Podeste, darauf prall gefüllte große Bodenkissen aus Leinen, in weiß und pink. Kleine Windlichter auf niedrigen Tischen. Schön ist das. Wie Ferien. In dieser Stadt kann man Urlaub machen. Ich spüre, was für ein Luxus es ist, in dieser Ecke der Stadt, des Landes, des Erdteils, der Erde zu leben. Mir wird ganz demütig. Der Kellner ist genauso nett wie er attraktiv aussieht. Normalerweise ist immer irgendwas, über das man hinwegsieht. Aber dieser szenige Typ ist charismatisch, charmant, ein bißchen flirty und sehr zuvorkommend. Und das Essen ganz und gar wie ich es mag. Mit frischen Zutaten, alles hat noch Biss, die zarten Zuckerschoten… Kein versupptes Geschwurbel. Eiskalter Chardonnay.
Ich weiß nicht mehr genau, worüber wir sprachen, aber ich holte nach dem zweiten Glas weit aus. Sagte Sachen wie, dass ich mir als Kind, als Mädchen, nie vorgestellt, erträumt habe eine Familie zu gründen, Mit Kind und Mann und Haus und Hof. Ich dachte eher, das wäre ein unheilvolles Schwert, das jede Frau früher oder später ereilt. (Das hab ich nicht gesagt, das fällt mir nur jetzt wieder ein). Ich hab von etwas ganz anderem geträumt. Ich wollte unbedingt frei sein. Frei von Bindungen an Menschen, die mir irgendetwas diktieren könnten, mich vereinnahmen würden, in einem vorstrukturierten Leben, dessen weiterer Verlauf das Potenzial an Unwägbarkeit verloren hat. (Das hab ich auch nicht gesagt, das schreib ich jetzt nur). Aber ich hab mich an einen Platz geträumt, als erwachsene Frau gesehen, die in einem Adlerhorst lebt, über den Dächern einer Stadt, einer Metropole. Die niemandem Rechenschaft schuldig ist. Es ist wahr geworden. Ich lebe in einem Adlerhorst über den Dächern der Stadt. Der schönsten Stadt, die ich kenne, in der meine Sprache gesprochen wird. Ich bin dankbar. Ja, schon wieder. Ich bin überhaupt in letzter Zeit ganz oft dankbar. Ganz ungeplant. Ohne Vorsatz. Ich weiß nicht, ob man sich sein Schicksal erarbeitet. Das wissen die Götter. Meines ist schon sehr seltsam. Sie haben mir auf jeden Fall einen sehr eigenwilligen und sehr mäandernden Weg zugedacht, für den man auch viel Kraft braucht. Innerlich. Innere Stärke. Widerstandskraft. Was so leicht aussieht, von Außen, ist das Ergebnis von Arbeit. An mir selbst. Da ist ein großer Aufruhr in mir. Kräfte sind am Werk, die mich von einem Pol zum anderen ziehen. Ich versuche ein inneres Ideal eines schöneren Ichs zu bewahren, zu behüten. Die Schönheit kommt nicht von Außen abhanden. Von innen. Das ist die einzige Gefahr. Aber so lange man einem Menschen ansieht, dass er darum kämpft, den guten Geist zu bewahren, gibt es diese Spur im Gesicht. Diesen Silberstreifen. So ein zartes Glitzern. Etwas Filigranes. Die Schönheit eines schüchternen Gebets.

02. August 2010


20. Juni 2010. Balkonzimmer. Auguststraße. Synagoge. Sommer. Spielplatz. Kids. Vielleicht weil sie Ringelshirts anhatten und die Haare des Jungen so schön wehten. Und manchmal sah es aus wie Absicht, fast wie eine Choreographie. Obwohl die Mädels ein bißchen anmutiger hätten sein können. Aber hey – sie hatten Spaß. Ich glaube, je älter ich werde, umso mehr komme ich wieder dahin, absichtslosem Spiel ohne vorführbare Ergebnisse am Ende, von der schönen Erinnerung abgesehen, Freude abzugewinnen. Am Ende eines Tages zählt, woran man Freude hatte.