Liebeserklärung


Gedenkminute (-stunde, -tag). Heute vor dreißig Jahren kam ich in Berlin an. In West-Berlin. Und wollte nie mehr zurück. Meine Herzensstadt. Das großartige ist, wenn man nicht der Liebe zu einem Menschen wegen in eine Stadt zieht, sondern die Stadt selbst die Liebe ist, hat die Liebe formidable Zukunftsaussichten. Und daher hat diese Liebe die allerbesten. Ich bin immer noch vernarrt. Hier will ich begraben sein. Und vorher noch ganz viel leben. Und lieben. Ich dachte, ich hätte schon eimal die Geschichte erzählt, wie ich nach der nächtlichen Zugfahrt an jenem sonnigen Morgen am Bahnhof Zoo ankam, zum ersten mal überhaupt in meinem Leben, denn ich war nie in dieser Stadt. Ich zog gleich hin. Dass das richtig sein würde, wusste ich im tiefsten Herzen. Eben suchte ich in meinem Archiv danach, wie es sich begab, dieser schöne große Mann, mit seinen Kupferlocken, den Wischlappen in der Hand, die Küche vom Schwarzen Café, in die ich unversehens gestolpert war. Nein, ich habe es noch nie erzählt, nicht hier. Nur in persönlichen Gesprächen. Und wie er, obwohl Ruhetag war, zwei große Tassen mit Milchkaffee brachte und beim Bringen begann er tatsächlich zu singen: Kann denn Liebe Sünde sein? und setzte herzhaft hinzu „Herzlich Willkommen!“ Wie hätte ich mich da nicht verlieben sollen… in die Stadt. So ist es geblieben. Nein, ich habe die Geschichte hier nie erzählt (nur da.) Ich erzähle sie sonst sehr ausführlich, aber heute ist mir nicht danach, obwohl es der Tag dafür wäre. Und als ich das Wannsee-Schild aus dem Zugfenster sah, schon so ein Kribbeln hatte, wie wenn einen gleich Amors Pfeil trifft. Wie hält man die Liebe, wie bleibt man verliebt? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es einfach so. Einfach nur Glück. Ein Riesenglück. Weil es passt. Weil es einfach matcht. Ich werde heute noch etwas sehr Gutes trinken. Das tue ich oft, aber heute mit einem noch feierlicheren Gefühl.

4 Antworten auf „02. April 2016

  1. Schön, wenn man so überzeugend „seine“ Stadt gefunden hat. Ich bin dieses Jahr 20 Jahre in Hamburg und halte kritische Distanz. Zu Berlin natürlich insbesondere, aber das muß ich jetzt ja hier nicht ausbreiten ;-) Ich glaube, Berlin hat an Ihnen gewonnen, zwischen all dem Flitter und Schrillen und Hyänenhaften, von dem es in der Stadt ja nicht wenig gibt, setzen Sie mit ganz eigener gelassener grandezza Stil und Neugier ohne Berechnung dagegen. Insofern, wie man in meiner Lieblingsstadt weiter südlich sagt: paßt scho!
    Ich wünsche Ihnen mindestens weitere 30 Jahre in der, das sei zugegeben, spannenden Stadt.

  2. fb ~ 03.04.16 Gaga Nielsen
    (Bin gerührt. So schöne Worte… )
    http://gaga.twoday.net/stories/1022555884/#1022555973

    Lisa Neun
    Oh – so schön! Und ja – Du hast diese Geschichte tatsächlich mir mal erzählt, was mich ein wenig stolz macht )

    Gaga Nielsen
    Eine alte Geschichte, die man nur Menschen erzählt, die einem das schöne Gefühl geben, dass die eigenen Anekdoten nicht langweilen. Jemand wie dir, Lisa.

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