Kleiner Frisuren-Katechismus für den Herrn
4. Folge: Typ Schach

Bei Typ Schach treffen wir auf einen autoritären Geistesarbeiter, dessen intellektuelle Strenge vor allem auf unstrukturiertere Zeitgenossen eine geheime Anziehungskraft ausübt.
Der raubvogelartige, charismatische Kopf mit dem hochkultivierten, latent subversiven Gedankengut kommt am besten mit einem unvoluminösen Kurzhaarschnitt zur Geltung. Eine gewisse Nackenlänge ist bei Typ Schach erwünscht, da diese geeignet ist, die freigeistige Haltung noch besser herauszuarbeiten. Der kurz gehaltene Bartwuchs unterstreicht intellektuelle Prioritäten.
Die farblich dunkel gehaltene Bekleidung wird nach jahreszeitlichen Kriterien gewählt, wobei Bequemlichkeit und Haltbarkeit eine übergeordnete Rolle spielen. Typ Schach ist der (Rollkragen-) Pullovertyp. Selbst wenn er ein Oberhemd trägt, wird man immer noch ein bequemes Baumwollleibchen darunter finden. Insgesamt pflegt Typ Schach einen informellen Kleidungsstil, mit dem er kein Aufsehen erregt. Farbe und Schnitt, wobei er stets auf Qualität bei Material und Verarbeitung achtet, fügen sich unauffällig im Straßenbild ein. Das unspektakuläre Erscheinungsbild trägt dazu bei, die Rolle des Beobachters zu sichern und keinerlei Verdacht zu erregen.
Typ Schach ist ein Einzelgänger und hat so gut wie kein Interesse an breitgestreuten Gesellschaftskontakten. Er zieht es vor, im stillen Kämmerlein mitunter abseitigen Interessen nachzugehen. Allzu formelle Essenseinladungen sowie gemeinschaftliches Sonnenbaden und Körperertüchtigung sind ihm ein Greuel. Nahrungsaufnahme wird ohne viel Aufhebens abgewickelt. Effiziente Genussmittel wie Koffein, Alkohol und ggf. Nikotin sowie anderweitige sinnliche Befriedigung spielen dagegen eine vergleichsweise große Rolle.
Typ Schach hat einen von Natur aus schmalen Körperbau, der aufgrund seines ausgeprägten Desinteresses an sportlicher Betätigung in der zweiten Lebenshälfte Gefahr läuft, die in die Wiege gelegte Spannkraft zu verlieren. Trotz dieses Handicaps gelingt es ihm auch im reifen Alter, mit morbidem Witz und geistreichen Wendungen Damen zu sich zu locken.
► 1. Folge: Typ Südfrankreich
► 2. Folge: Typ Björn
► 3. Folge: Typ Bon Vivant

5 Antworten auf „03. dezember 2007

  1. Richtig. Miller unbedingt. Shepard – ja, auch.
    Ja, die sind gefährlich. Eine interessante Gefahr. Schwierige Gefährten. Millers letzte Frau war in ihrem Eigensinn ebenbürtig. Shepard und Lange sind auch nicht ohne. Die Damen von Brückner und Newton auch eigensinnige Kaliber.

  2. Der auch? Sie werden mir langsam unheimlich.
    Bei der Kombination mit Herrn Bon Vivant muss dann aber irgendein Aspekt auf der Strecke bleiben. (idealerweise Bewegungsphlegma und Sozialphobie).

  3. Ich werde mir langsam selbst unheimlich, dabei kann ich noch nicht einmal Schach spielen. Aber ich identifiziere mich einfach mit der Determinante, dass dieser Typ ein Faible für ‚effiziente Nahrungsmittel‘ hegt…Identifikationsfördernd kommt noch hinzu, dass dieser Typus offensichtlich einen Bart tragen kann oder auch nicht :)

  4. Genussmittel (!) Gerade fällt mir auf, dass Maximilian Schell ein ähnlicher Grenzfall ist wie Sie. Nicht der unattraktivste nebenbei. Maximilian Schell spielt durchaus Schach. Auch bei Christian Brückner bin ich einigermaßen sicher, Mathieu Carrière zuverlässig. Bei den anderen bin ich weniger auf dem Laufenden. Schach als state of mind reicht. Ich spiele seit Langem nicht mehr Schach, früher ja, vor 25 Jahren. Seither interessieren mich Figuren aus Fleisch und Blut mehr als die aus Holz. Als Mann wäre ich Bon Vivant und dieser Typ. Kein schlechter Mann.

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