
Gestern. „Das hier sind die wahren Schätze Berlins.“ sage ich feierlich zu der älteren Dame mit den kurzen grauen Haaren und dem slawischen gefärbten Akzent, als ich ihr die Nummer Neun für die Aufbewahrung zurückgebe. Wir sprachen vorher zwischendurch über die Lebensdauer von Akkus für Digitalkameras, weil ich wechseln musste. Sie müsste bereits nach zwanzig Minuten wechseln. Ich weiß ja nicht wieviel sie fotografiert, aber das ist schon sehr wenig. „Die von Olympus halten am längsten, auch schön kompakt“ jammere empfehle ich leicht sentimental. „Olympus hat auch die besten Objektive“ klage klugscheißere ich weiter, während ich die gefräßige Canon füttere. Sie nickt begeistert: „ja! Olympus hat sehr gute Objektive!“.
Als ich nun gehe, sie mir meine Tasche gibt und ich mit glänzenden Augen von wahren Schätzen spreche, nickt sie „ja“, mindestens genauso feierlich wie ich und lächelt so erfreut, als hätte ich ihren Kuchen nach eigener Rezeptur gelobt. Von tiefem Stolz erfüllt fügt sie, jedes Wort einzeln betonend, hinzu „Und Es Gehört Alles Wirklich Uns.“ Unglaublich. Als ich durch die Glastür durch den Garten gehe, muss ich dauernd darüber nachdenken, in welcher Beziehung sie zum Brücke-Museum stehen könnte. Das war nicht irgendeine zufällig angestellte Mitarbeiterin. Da war so viel Horizont in ihren Augen, als ob sie auf jedes einzelne dieser vierzig Jahre dort zurückblicken könnte.
Zuletzt war ich in den Neunzigern da. Es gab eine Gastausstellung des Blauen Reiters. Ich erinnere eine gegenüberliegende, behutsame Hängung von Kandinsky und Münter, viele Motive aus Murnau. Es hat eine gute Atmosphäre, dieses Haus. Auch der Garten. Ein sicherer Ort für freie Gedanken. Ich sollte viel öfter hin. Man kann gar nicht alles gesehen haben. Es gibt ja immer nur eine Auswahl. Dass ich fotografieren durfte, hat mich mehr als überrascht. (Nicht explizit ‚ich‘, sondern jeder, ohne Blitz versteht sich). Ich hätte es gar nicht gewagt, danach zu fragen. Als ich mich erkundigte, ob ich in der Eingangshalle, wo noch keine Bilder hängen, ein Foto machen dürfte, hat mich der Mitarbeiter, der die Eintrittskarten verkauft hat, eigens darauf hingewiesen „Sie dürfen überall fotografieren, auch in der Ausstellung“.