
gustav, der ältere lieblingsbruder meiner oma alma. das bild von 1932 ist ganz zerfleddert, weil ich es, nachdem ich es in einer fotoschachtel gefunden hatte, unbedingt haben wollte und in meinem kinderzimmer mal an den schrank, mal über den schreibtisch gepinnt hatte. ich fand es so schön, weil onkel gustav auf dem bild ein bißchen aussieht wie ein etwas romantischer, trotziger schriftsteller. ich weiß gar nicht mehr, was er von beruf war, aber schriftsteller war er keiner. jedenfalls nicht so richtig. er hat aber gerne geschrieben.
ich habe ihn nur selten gesehen, weil er sehr weit weg gewohnt hat. wenn oma von ihm gesprochen hat, hat sie ganz leuchtende augen bekommen. man hat gleich gemerkt, dass sie ihn am liebsten von ihren elf geschwistern hat. meine mama hat auch immer viel von ihrem onkel gustav geschwärmt, dass er so ein feiner mensch ist. er war auch wirklich nett. ich erinnere mich gut an seine stimme. er hat gesprochen wie andere singen. ein sanftmütiger, zartfühlender mensch. als er gestorben ist, war ich ein bißchen traurig, obwohl ich ihn fast gar nicht gekannt habe. vielleicht weil meine oma so um ihn getrauert hat.

meine oma alma 1932, als sie siebzehn war. in diesem zimmer unterm dach hatte ich das bild für viele jahre, in denen ich dort wohnte, an einen einfachen alten kleiderschrank aus buchenholz gepinnt, den mein vater selbst gezimmert hatte. heute fielen mir die beiden bilder wieder in die hände, als ich nach etwas ganz anderem suchte. die beiden bilder sind so viel schöner, als das wonach ich ausschau hielt.
friede freude EIERKUCHEN!
ein zartes herz in einem sehr männlichen körper ist immer – – – na ja. unwiderstehlich.
was vielleicht noch interessant ist, zur entstehung dieser photographie meiner großmutter, sie erzählte mir wie sie entstand: der örtliche photograph (in der region karlsbad, dem heutigen karlovy vary) suchte ein modell, um einige besondere portraits für sein schaufenster zu machen. sie stand ihm also modell, deshalb auch die etwas pathetische pose, die ich aber sehr mag, weil sie eine durchaus theatralische ader hatte – im besten sinne. sie wollte immer gerne zum theater und machte aus jedem wohnzimmer eine unterhaltungsbühne. eine sehr lustige person. wenn ich an sie denke, sehe ich sie immer lachen. obgleich ich sie erst kannte, als sie ihre große liebe, ihren mann, meinen großvater andré (den sie im übrigen in dem jahr, aus dem dieses bild stammt kennengelernt hatte) bereits verloren hatte. er starb relativ jung, mit anfang fünfzig, an den spätfolgen vieler kriegsverletzungen aus verdun. er hatte unter anderem ein bein verloren. meine mama findet so viele ähnlichkeiten zwischen ihm und mir, dass ich es unendlich bedaure, ihn nicht kennengelernt zu haben. ein wahnsinnig verträumter mann, der furchtbar unter dem krieg litt. was sind das überhaupt für männer in dieser familie. er hat zum zeitvertreib bilder mit elfenwesen auf blumenwiesen gestickt, die das gesicht meiner großmutter trugen. unfassbar.
die frauen und männer der linie meines vaters sind dagegen weitaus pragmatischer und bodenständiger. meine bäuerlichen vorfahren. die mutter meines vaters sah dagegen aus wie eine strenge alte zigeunerin. ich sah ihr als kind sehr fasziniert zu, wie sie ihre hüftlangen grau-schwarzen haare kämmte und flocht und zu einem nackenknoten steckte. obwohl ich in einem haus mit ihr aufwuchs blieb sie mir immer irgendwie fremd und distanziert. meine oma alma dagegen wohnte recht weit weg und ich sah sie nur zwei oder dreimal im jahr und fühlte mich ihr immer nah. ein großer unterschied auch: viele umarmungen unter allen geschwistern, onkeln und tanten der familie meiner mutter, dagegen äußerste körperliche verhaltenheit bei der familie meines vaters. eine temperaturgefälle wie juni und januar. äußerlich. heute weiß ich, dass es nichts mit gefühlskälte sondern erlernten verhaltenstraditionen zu tun hatte.
ich glaube, ich muss wohl mal wieder ein wörtchen mit ihr reden. ein frühwerk, das
zweifellos die sinne aufrütteltzur besinnung ruft und nach innerer einkehr – äh usw.