komisches wetter. gestern noch die schattige seite auf dem balkon gesucht, lauer wind, ein bißchen geheult, als der alte mann beim in den blauen himmel schauen, the first time ever i saw… singt. beim schönsten personal jesus je, wieder gefangen. es gibt sehr wenige platten, die ich am stück so oft gehört habe und nicht überhöre.
unerbittliche gedanken wie: schämen sich eigentlich nicht alle ambi- tionierten singenden menschen, die es noch nicht geschafft haben, ihre allüren und maniriertheiten abzulegen, in grund und boden, wenn sie das hören und schlafen noch einmal zehn bis zwanzig jahre darüber, ob sie das wirklich tun sollten, was sie da tun. wenn ich etwas wie die pest hasse, ist es affektierter, effektheischender gesang. es kommt darauf an, mit demselben gefühl zu singen, mit dem man spricht. alles andere ist riesengroße scheiße.
noten muß man übrigens nicht kennen. seinen körper zu kennen, hilft. aber mehr als an allem anderen, ist am gefühl zu arbeiten. sich selbst nicht verarschen. die eigenen lügen entlarven. und dann erst, ganz am ende, töne absondern. nie so tun ‚als ob‘. und wie immer: demut. das wird nicht das letzte mal sein, dass ich diesen begriff schreibe. und ich bin keine christin.
demut.
seltene menschen, die das auf anhieb verstehen.
und nicht mit kriecherei vor sakraler obrigkeit verwechseln.
Die Menschen, die dies nicht beherrschen, Herr Kid, verstehen sich dagegen oft erstaunlich gut aufs demütigen.
lieber herr rollinger, wenn man von einem stück überzeugt ist, stellt sich der zauber immer wieder ein. vielleicht nicht immer mit der gleichen intensität, aber wenn man nicht mehr in der lage ist, sich selbst damit zu verzaubern, sollte man es lassen. das grandiose ist, dass man eine sternstunde mit sich selbst wiederholen kann und andere teilhaben lässt. so sollte es wenigstens sein. mit sich nicht selbst verarschen, meine ich eine grundlegende haltung. ich höre zu oft falsche töne (nicht harmonielehretechnisch) sondern markieren, vortäuschen einer haltung, die nicht authentisch ist etc. ich höre das und es stört mich. mir ist es lieber, wenn jemand seine selbstzweifel und sein scheitern in musik (oder wasauchimmer) transformiert und damit im glücklichen fall transzendiert, als großartigkeiten vorzutäuschen.